Ins Rollen gebracht hat die Affäre die Sprecherin der Grünen Wirtschaft im Burgenland. Ihr fiel beim Auszählen die Gleichartigkeit der Unterschriften auf den Wahlkarten auf.

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Eisenstadt – Bei den Wirtschaftskammerwahlen im Burgenland scheint es nicht mit rechten Dingen zugegangen zu sein. So sehr nicht, dass nun – so berichtet es das Profil – ein 114-Seiten-Akt der Kriminalpolizei bei der Eisenstädter Staatsanwaltschaft liegt. Der vom Landeskriminalamt (LKA) geäußerte Verdacht: Wahlfälschung.

Im Zentrum des Aktes steht die Chefin einer Agentur für die Vermittlung von 24-Stunden-Betreuerinnen. Diese waren als Einzelunternehmerinnen bei den Kammerwahlen Anfang März wahlberechtigt. Zustelladresse für die Wahlkarten war freilich die Agentur.

Der Vorwurf lautet, die Chefin dieser Agentur und Mitarbeiter hätten die Wahlkarten ausgefüllt. Und zwar zum Nutzen der Chefin, Kandidatin des ÖVP-Wirtschaftsbundes und Vizeobfrau der Fachgruppe Personenbetreuung.

Ähnliches gab es auch in einer zweiten Vermittlungsagentur. Deren Chef habe, so Profil, beim Landeskriminalamt ausgesagt, "zumindest "zehn Vorzugsstimmen auf meinen Namen lautend angebracht" zu haben.

Überprüfung der Unterschriften

Ins Rollen gebracht hat diese Affäre die Sprecherin der Grünen Wirtschaft im Burgenland, Anja Haider-Wallner. Ihr fiel beim Auszählen die Gleichartigkeit der Unterschriften auf den Wahlkarten auf und hat eine genaue Überprüfung verlangt. "Darauf wurde nicht weiter eingegangen. Ich wurde aus dem Raum geschickt."

Die grüne Wahlbeobachterin blieb hartnäckig. "Ich habe darum gebeten, dass meine Beobachtungen und Zweifel protokolliert werden, aber das wurde abgelehnt." Also wandte sich Haider-Wallner ans LKA. Und das an die Staatsanwaltschaft, die nun zu entscheiden hat, ob es zu einer Anklage kommt. Ermittelt wurde gegen sechs Beschuldigte. Bis zu 60 Stimmen sollen gefälscht worden sein.

Bekanntes Terrain

Für die Eisenstädter Staatsanwaltschaft ist Wahlbetrug jedenfalls kein unbekanntes Terrain. Bei der Gemeinderatswahl 2010 fälschte der Bürgermeister von Unterrabnitz Stimmzettel und wurde verurteilt. Ab 14. Dezember wird Manfred Kölly, der amtierende Bürgerlisten-Bürgermeister von Deutschkreutz, wegen ebensolcher Vorwürfe vor dem Eisenstädter Gericht stehen.

Die Kammer ist – soweit es DER STANDARD eruieren konnte – im Shutdown: no comment. Die ÖVP, deren Wirtschaftsbund ja hauptbetroffen ist, sagt auch noch nichts. Die grüne Aufdeckerin Haider-Wallner fragt, wann endlich die Kammer Stellung nimmt und "die Renovierungsarbeiten beginnen". Der blaue Landeschef Alexander Petschnig will zumindest "das komplizierte Wahlrecht" ändern. Der rote Wirtschaftssprecher Gerhard Hutter mahnt den türkisen Landeschef: "Es ist Zeit, dass Christian Sagartz ein Machtwort spricht." (wei, 15.11.2020)