Ex-Wirecard-Chef Markus Braun sitzt seit dem Sommer in U-Haft. Er ist bereit, am Donnerstag als Zeuge vor dem U-Ausschuss des deutsche Bundestags auszusagen. Allerdings will er nicht von Bayern nach Berlin reisen.

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Üblicherweise ist der Höhepunkt in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss – zumindest aus Sicht der Opposition – erreicht, wenn der zuständige Bundesminister oder gar die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler erscheinen muss.

In Deutschland jedoch könnten sich am Donnerstag im Bundestag Szenen abspielen, die dies noch toppen. Es tagt der Wirecard-Untersuchungsausschuss, der klären soll, ob die Bundesregierung und ihre Aufsichtsbehörden bei der Kontrolle des ehemaligen Dax-Lieblings, der nach Luftbuchungen in Milliardenhöhe spektakulär pleitegegangen ist, versagt haben.

Als Zeuge geladen ist der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun. Der Österreicher hat den Zahlungsdienstleister groß gemacht. Seit dem Zusammenbruch des Unternehmens im Sommer sitzt er in Augsburg wegen Betrugsverdachts in Untersuchungshaft. Der Aussage im Untersuchungsausschuss kann er sich als Österreicher nicht entschlagen, weil er in Deutschland einen Wohnsitz hat.

Gesundheitsrisiko Corona

Und Braun ist auch bereit, vor dem Ausschuss – wohlgemerkt als Zeuge – auszusagen. Dass ein so hochrangiger Zeuge aus dem Knast in den Ausschuss kommt – das hat es allerdings noch nie gegeben.

Braun will allerdings auch nicht persönlich nach Berlin reisen, sondern per Video aus dem Gefängnis zugeschaltet werden. Eine Videoschaltung ist grundsätzlich zulässig. Erst vor kurzem war Martin Selmayr, der Leiter der EU-Vertretung in Wien, virtuell im Maut-Untersuchungsausschuss als Zeuge dabei.

Laut Brauns Anwälten sprechen Gesundheitsrisiken wegen Corona gegen eine Reise ihres Mandanten nach Berlin. Auch in bayerischen Justizkreisen gibt es diese Überlegungen – und noch eine dazu. Geladen sind zwei weitere Wirecard-Manager, die in U-Haft sitzen: Stephan Freiherr von Erffa und Oliver Bellenhaus. Es herrscht Sorge, dass die drei sich irgendwie bei einem Treffen in Berlin absprechen könnten.

Auch Marsalek geladen

Geladen ist übrigens noch ein Österreicher, nämlich Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek. Mit dessen Erscheinen aber rechnet keiner, weil er ja auf der Flucht ist.

Auf Brauns persönlichem Erscheinen jedoch bestehen die Oppositionsfraktionen FDP, Grüne und Linke. "Die Vernehmung ist auf diese Weise authentischer, und das Bild, das sich der Ausschuss von den Zeugen machen kann, ist umfassend", erklären ihre Obleute im U-Ausschuss in einem gemeinsamen Schreiben an ihre Kollegen aus den anderen Fraktionen.

"Die Vernehmung wird ein Schlüsselmoment für die Aufklärung des Wirecard-Skandals sein. Ich hoffe, dass die Aussage Brauns Licht ins Dunkel der Machenschaften und seltsamen Geschäfte von Wirecard bringt", sagt der FDP-Abgeordnete Florian Toncar zum STANDARD. Brauns Anwälte aber wehren sich juristisch gegen die persönliche Ladung und mögliche Vorführung. Entscheiden muss letztendlich vielleicht ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof. (Birgit Baumann, 16.11.2020)