Am Montag ist der letzte "normale" Schultag, ab Dienstag gelten auch im Bildungsbereich verschärfte Lockdown-Regeln.

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Bildungsminister Heinz Faßmann deponierte seine Position bei der Präsentation des zweiten scharfen Lockdowns am Wochenende gleich zu Beginn noch einmal: "Offene Schulen waren unser Ziel." Waren. Und das "unser" waren sehr viele. Aber ab Dienstag sind Schulen, Kindergärten und Unis de facto wieder geschlossen. Denn, so sagte Faßmann mit Blick auf die Entscheidung, die im Kanzleramt getroffen wurde: "Das übergeordnete Ziel Gesundheit hat jetzt Priorität." Die Pandemie schwappe jetzt auch in die Schulen, wenngleich "die Schulen kein Treiber sind, aber auch nicht frei von Infektion", meinte er mit Blick auf die "vielfältige Forschungslage".

Deshalb wird ab Dienstag auch der Pflichtschulbereich (Volks-, Mittelschulen, AHS-Unterstufe, nicht aber Sonderschulen) auf Distance-Learning umgestellt: "Der Montag ist ein normaler Schultag, ein Vorbereitungs- oder Übergangstag."

Drohende Bildungsschere

An dem Tag müssen Eltern sagen, ob sie für ihre Kinder (auch stundenweise) "Betreuung und Lernbegleitung" brauchen, die gibt es für alle Kinder (auch im Kindergarten), nicht nur für jene, deren Eltern in "systemerhaltenden Berufen" tätig sind, betonte Faßmann. Er wies ausdrücklich darauf hin, dass Kinder, die zu Hause keine ruhigen Arbeitsplätze oder nicht die technische Ausrüstung für digitalen Unterricht haben, "kommen sollen, damit die Bildungsschere nicht weiter auseinandergeht". Der Minister rechnet mit "deutlich mehr" Kindern, die jetzt auch im Lockdown in die Schulen kommen werden: "Sicherlich ein zweistelliger Anteil im niedrigen Bereich." Im Frühjahr waren es drei bis fünf Prozent, die vor Ort waren.

Bei der Betreuung und Lernbegleitung sollen auch Lehramtsstudenten eingesetzt werden. Das kündigte Faßmann in der "ZiB 2" am Sonntagabend an. In den vergangenen Monaten habe man einen Pool von rund 1.800 Studenten aufgebaut, die nun über Sonderverträge beschäftigt werden könnten. Außerdem sollen bei der Betreuung vor allem Lehrer aus jenen Fächern eingesetzt werden, die im Distance-Learning weniger gebraucht werden. Zudem würden Überstunden ausbezahlt.

Bildungsminister Faßmann in der "ZiB 2".
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Am 7. Dezember geht's für alle zurück in die Schulen

In den drei Lockdown-Wochen sollen die Schulkinder "nicht mit neuen Aufgaben überhäuft werden", sondern bereits Erlerntes vertiefen. Alle Tests und Schularbeiten sind verschoben, ein "Teststau" im Dezember werde auf jeden Fall vermieden. "Am 7. Dezember werden die Schülerinnen und Schüler, auch die Oberstufen, zurückkehren" – allerdings auch dann unter anderen Bedingungen als jetzt, sagte der Minister, der einen "Schwebezustand wie im Frühjahr" vermeiden will. Nach dem Lockdown sollen auch Lehrer regelmäßiger und schneller auf Corona getestet werden. Rückkehr just am Tag vor dem Marienfeiertag? "Mir ist jeder Tag wichtig, auch der Fenstertag."

Ja, jeder Tag ist wichtig und mitunter ein Kampf, heißt es von Elternseite: "Freude haben wir mit den Schulschließungen absolut keine. Wir haben bis zum Schluss gehofft, dass zumindest die Volksschulen offen bleiben", sagte die Vorsitzende des Verbands der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen, Evelyn Kometter, am Sonntag im STANDARD-Gespräch. Die Hoffnung der Eltern sei, "dass die Infektionszahlen nach den drei Wochen so weit heruntergehen, dass dann wieder normaler Schulbetrieb ist".

Eltern wollen "keine Bittsteller sein"

Jetzt sei für die Eltern am wichtigsten, "dass wir nicht als Bittsteller vor den Schulen stehen, wenn wir Betreuung für die Kinder brauchen, so wie es im Frühjahr oft war. Das wollen wir nicht mehr erleben, dass es heißt: Für ein paar Kinder machen wir die Schule nicht auf. Das kann und darf nicht akzeptiert werden", fordert Kometter.

Aus den Rückmeldungen, die die Pflichtschulelternvereinsvorsitzende aus den Bundesländern bekommen hat, muss sich Minister Faßmann auf einen "deutlich höheren" Andrang an den Schulen auch im Lockdown einstellen. "Die Telefone laufen heiß. Es werden auf alle Fälle mehr Eltern Betreuung in Anspruch nehmen, vor allem in Gegenden, wo das Internet nicht gut ausgebaut ist. In Oberösterreich rechnet man damit, dass 70 Prozent der Kinder in die Schule kommen werden", berichtet die Elternvertreterin. Aber auch aus dem Grenzgebiet zwischen Tirol und Vorarlberg, in einzelnen Tälern Kärntens oder im Burgenland könnten Funklöcher dafür sorgen, dass die Schulen stark bevölkert werden.

Die Elternvereine hoffen aber auch sehr, "dass vor allem die Kinder in die Schule gehen oder geschickt werden, die diese Betreuung dringendst notwendig haben, um die Sprache zu lernen, oder die zu Hause nicht genug unterstützt werden können, weil die Eltern zwar helfen wollen, aber es nicht können".

Opposition gegen Schulschließungen

Die Opposition war ohnehin immer geschlossen gegen geschlossene Schulen. Die FPÖ sprach am Sonntag von einem "bildungspolitischen Super-GAU". Bildungssprecher Hermann Brückl fordert Faßmanns Rücktritt und nicht nur Betreuung an den Schulen, sondern Unterricht.

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner hält zwar die "Notbremse" für notwendig, kritisierte aber, dass "die Daten zeigen: Schulen zusperren hat wenig Nutzen und sehr große Nebenwirkungen."

Schule bei VfGH einklagen

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die "Ja zum Lockdown, aber Nein zu Schulschließungen" sagte, geht davon aus, dass sich Betroffene an den Verfassungsgerichtshof wenden werden. Und das "mit guten Erfolgsaussichten", meint dazu der Verfassungsjurist Heinz Mayer auf STANDARD-Anfrage: "Weil die meisten Virologen oder auch die Corona-Kommission gesagt haben, dass die Schulen offen bleiben sollen. Das Recht auf Bildung – das haben Kinder und Eltern – ist sicher betroffen." (Lisa Nimmervoll, 15.11.2020)