Die Regierung will die Hacklerregelung durch ein Modell ersetzen, bei dem Menschen profitieren, die früh ins Berufsleben eingestiegen sind.

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In der türkis-grünen Regierung war man sich darüber länger alles andere als handelseins. Nun ist sie wirklich passé: die abschlagsfreie Hacklerfrühpension. Diese wurde kurz vor der vergangenen Nationalratswahl auf Drängen von SPÖ und FPÖ beschlossen. Damals noch mit türkiser Unterstützung. Nun ist es dieselbe ÖVP, die die Hacklerregelung, die seit Jahresbeginn gilt, wieder stürzen möchte. Im Gegenzug führt Türkis-Grün einen "Frühstarterbonus" ein, der geschlechtergerechter sein soll.

Bei der Hacklerregelung handelt es sich um eine vergünstigte Form der Frühpension. Die Idee ist, dass man mit 45 echten Beitragsjahren ohne Abschläge mit 62 in Pension gehen kann. Das wird revidiert. Die Abschläge von 4,2 Prozent pro Jahr werden ab 2022 wieder eingeführt.

Ab dann soll auch der neue "Frühstarterbonus" gelten. Damit sollen jene, die zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr gearbeitet haben, monatlich 60 Euro zusätzlich zur Pensionsleistung bekommen. Voraussetzung sind 25 Beitragsjahre. Das neue Modell wird laut der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer bereits am Freitag per Initiativantrag im Nationalrat beschlossen. Es handle sich um eine echte Hacklerregelung, weil jene profitieren, die eben früh zu hackeln begonnen haben, meint Maurer. Zudem bekämen auch Frauen etwas, die keine Chance auf 45 Beitragsjahre haben.

Die fünf "Hacklerinnen"

Laut der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) gab es zwischen Jänner und Oktober dieses Jahres 24.462 frühzeitige Alterspensionen, 9742 erfolgten abschlagsfrei nach Hacklerregelung – darunter waren fünf Frauen. Dies sind aber absolute Sonderfälle, da Frauen eigentlich ab 60 Jahren ohne Abschläge in Pension gehen können.

Die Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber will festhalten: "Ich halte es für sehr abträglich gegenüber dem Pensionssystem und dem Vertrauen der Menschen in dieses, wenn in unsicheren Zeiten ständig kurzfristige Reformen gemacht werden", sagt sie. "Das ist mit der Abschaffung der Abschläge bei der Hacklerregelung passiert. Andere stabile Alterssicherungssysteme haben immer längere Perspektiven bei Reformen." Dass die Hacklerregelung wieder abgeschafft wird, sei auch nicht vertrauenserweckend.

Den "Frühstarterbonus" als Modell findet Mayrhuber aber aufgrund der Begriffskorrektur interessant. Hackler werden nun anders definiert. Das sind nun jene, die nach der Pflichtschule Beitragsjahre gesammelt haben, also die, die eine Lehre machen und als Hackler eine Erwerbskarriere begonnen haben.

Es sei aber ein Modell, das an Bedeutung verliert. Die Beschäftigungsquote der jungen Männer und Frauen zwischen 15 und 20 Jahren sei in den vergangenen fünf Jahrzehnten äußerst rückläufig. "Es ist also ein abgegrenzter Adressatenkreis", sagt Mayrhuber. Sie schätzt den "Frühstarterbonus" als ein zielgerichtetes Mittel gegen Altersarmut ein, das vor allem Frauen hilft, die speziell nach der Geburt des ersten Kindes Lücken in der Erwerbsbeteiligung aufweisen. Der Bonus erscheint ihr als vernünftiger Weg.

SPÖ will Hacklerregelung retten, FPÖ sieht Schnellschuss

Die Allianz der Hacklerregelung, SPÖ und FPÖ, schlug Alarm. Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried warf der Regierung vor, den Menschen während der Krise still und heimlich die Pension wegnehmen zu wollen. Er kündigte einen "Dringlichen Antrag" am Dienstag im Nationalrat an, mit dem die abschlagsfreie Hacklerregelung gerettet werden soll. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch und der Vorsitzende der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, Rainer Wimmer, wiesen auch das Argument zurück, dass Frauen von der Neuregelung profitieren würden. Spätestens in acht Jahren könnten auch Frauen die abschlagsfreie Hackerpension in Anspruch nehmen, weil ab 2024 das Frauen-Antrittsalter pro Jahr um ein halbes Jahr angehoben wird. Es handle sich insgesamt um einen "Pensionsraub". Die Abschläge der Hacklerregelung hätten den Betroffenen im Schnitt rund 300 Euro gekostet, um die die Pension jetzt höher sei.

FPÖ-Obmann Norbert Hofer warnte, dass sich die Altersarmut verschlimmern werde, weil der Frühstarterbonus "völlig unausgegoren" und im Vergleich zur Hacklerregelung "kaum wirksam" sei. Für Hofer handelt es sich um einen "Schnellschuss", "nur damit die Grünen einen augenscheinlichen Verhandlungserfolg gegen die Anti-Hacklerregelung-Partei ÖVP vorweisen können".

Für die Neos wird nun "eine schlechte Regelung durch eine andere schlechte Regelung ersetzt". Sozialsprecher Gerald Loacker meinte, damit werde das Pensionssystem nicht enkelfitter und gerechter. Die Kosten könnten seiner Meinung nach sogar steigen. (Jan Michael Marchart, APA, red, 16.11.2020)