So gut sichtbar sind Radfahrer selten – sollten sie aber immer sein.

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Irgendwann hole ich einen von denen vom Rad. Dann wird der elegante Hipster auf seinem schicken Singlespeed sagen, dass er eh ein Licht hat. Sogar eingeschaltet. Ob ich blind sei? Stimmt: Da glimmt was. Hell wie das Stand-by-Licht am Fernseher – oder die Uhr am Backrohr. Und die sähe ich im Dunkeln schließlich auch.

"Reicht also", sagt der elegante Hipster. Und grinst: Ich sähe ja an meinem Bike und Outfit, was große Lichter und fette Reflektoren dem "Style" antäten. Wie uncool reflektierende Applikationen auf Rucksack, Schuhen, Jacke oder Handschuhen aus sähen. Wie peinlich-alt Safetyjacken-gelbe Klettbänder am Knöchel: Ein Fall für die Fashion-Police! Oldschool! Und: feig. In Amsterdam fährt ja auch keiner so! Kopenhagen rollt sicher unbeleuchtet! Dort wäre die "Wiener Funsen" schon übertrieben. Sie sei sein Kompromiss. Und überhaupt: Im Stealth-Modus gefährdet man sich doch eh nur selbst.

Frage der Zeit

Das hat etwas: Wenn sich wer selbst zum Abschuss freigeben will, wünsche ich viel Spaß. Nur stimmt das so nicht: Wie kommen Dritte – egal ob auf dem Rad oder im Auto – dazu, sich nach einem "Abschuss" doch Vorwürfe zu machen? Oder dabei selbst verletzt zu werden? Etwa weil ein Stand-by-Lamperl-Fahrer den Sichtschatten eines solide Beleuchteten sucht. Weil er nur so sieht, wo er hinfährt – aber dann eben aus dem Nichts auftaucht: Irgendwann hole ich einen von denen vom Rad. Vorsatzlos. Obwohl es umgekehrt sein wird: Einer von denen wird mich abschießen. Es ist nur eine Frage der Zeit. (Thomas Rottenberg, 24.11.2020)