Breites Grinsen auf beiden Seiten: Christoph Wiederkehr und Michael Ludwig einigen sich auf eine Koalition.

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Mehr Schulpsychologen, Unterstützungspersonal in den Kindergärten und ein besonderes Augenmerk auf Brennpunktschulen: Bildung ist eines der zentralen Themen der künftigen rot-pinken Regierung in Wien.

Das Programm ist hier ambitioniert – gut so, kommen doch immense Herausforderungen auf das Bildungssystem zu: Es gilt, die Auswirkungen des zweiten Lockdowns abzufangen.

Auch sonst scheinen die Neos gut verhandelt zu haben. Listenerster Christoph Wiederkehr wird Vizebürgermeister. Den Posten hätten ihm die Roten nicht überlassen müssen. Aber sie tun gut daran, damit die Stimmung von Anfang an von Motivation auf beiden Seiten getragen ist. Wiederkehr und Bürgermeister Michael Ludwig grinsten breit bei der ersten Pressekonferenz zur Einigung. Daran gilt es sich zu erinnern, wenn einmal gestritten wird. Und das wird passieren. Die Neos werden auch danach trachten müssen, Unterschiede zur SPÖ herauszuarbeiten, sonst machen sie sich überflüssig.

Gegenentwurf zum Bund

Gemeinsam haben Rot und Pink die Kritik an der Bundesregierung. Sie werden sich nun noch stärker als Gegenpol positionieren. Während ÖVP und Grüne am Sonntag noch damit beschäftigt waren, zu erklären, was die Schulschließungen konkret für Kinder, Eltern und Pädagogen bedeuten, stellte Ludwig zumindest für Wiener Betroffene schon klar: Die Schulen bleiben offen. Ob das im Sinne des Kanzlers war, darf bezweifelt werden.

Ein wichtiges Kapitel im rot-pinken Programm ist auch der Klimaschutz. Hier gilt es, die Lücke der Grünen zu schließen, die die Rettung des Klimas stets als oberste Prämisse sahen. Geändert wurde das Wording. Wien wird von SPÖ und Neos nun als Klimamusterstadt bezeichnet, nicht mehr als Klimahauptstadt; was auch daran liegen könnte, dass letzteren Begriff Noch-Vizebürgermeisterin Birgit Hebein geprägt hat.

Grüne Erneuerung

Apropos Hebein: Bei Wiener Grünen bleibt kein Stein auf dem anderen. Die bisherige Nummer eins, die für das beste Ergebnis der Grünen bei einer Wiener Gemeinderatswahl, 14,8 Prozent, verantwortlich ist, wird im Rathaus keine tragende Rolle mehr spielen. Am Montag wählte der grüne Klub David Ellensohn zu seinem Vorsitzenden. Auch bei den nichtamtsführenden Stadträten kam nicht Hebein, sondern Listenzweiter Peter Kraus und die Listendritte Judith Pühringer zum Zug.

Hebein hatte massiv an Standing in den eigenen Reihen verloren, als sich abzeichnete, dass Rot-Grün nicht in die Verlängerung geht. Viele lasten es ihr an, dass sich Ludwig mit den Neos einen neuen Koalitionspartner gesucht hat. Hebein wird vorgeworfen, sie habe das Verhältnis zu Ludwig ausgereizt.

Aber ist die Aufarbeitung mit den personellen Entscheidungen erledigt? Natürlich nicht. Die Grünen müssen jetzt einen Prozess des Neustarts beginnen und in eine kantige, aber konstruktive Oppositionsrolle hineinfinden. Da haben sie viel vor sich. Hebein kann sich damit trösten, zumindest vorerst noch Parteichefin in Wien zu bleiben. Wobei ihr eine gestaltende Rolle wohl lieber gewesen wäre. (Rosa Winkler-Hermaden, 16.11.2020)