Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) ist gegen das Mercosur-Abkommen.

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Wien – Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) verschärft ihre Kritik an dem umstrittenen Freihandelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Österreich brachte zur Videokonferenz der EU-Agrarminister am Montag gemeinsam mit Bulgarien, Luxemburg, Rumänien und der Slowakei eine Erklärung ein, wonach das Abkommen eine "zusätzliche Gefahr für europäische Bauern" darstelle.

Das EU/Mercosur-Abkommen könne bedeutende Auswirkungen auf den europäischen Agrarsektor haben, zu einer massiven Verschlechterung der Handelsbilanz der EU und zu niedrigeren Marktpreisen für Produkte wie Rindfleisch, Ethanol, Zucker, Honig und Geflügel führen, die bereits unter Druck stünden, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der fünf Länder. Dabei sei der europäische Agrarmarkt bereits Herausforderungen durch die Corona-Pandemie, die Afrikanische Schweinepest und mögliche Marktverzerrungen durch ein No-Deal-Szenario mit Großbritannien ausgesetzt.

Speerspitze gegen Handelspakt

Köstinger versteht sich nunmehr als Speerspitze der kritischen EU-Mitgliedsstaaten. Sie fordert die anderen EU-Staaten dazu auf, jetzt klar gegen den Mercosur-Freihandelspakt Stellung zu beziehen. "Mercosur am Rücken unserer bäuerlichen Familienbetriebe wird es mit uns nicht geben, dagegen werden wir weiterhin kämpfen", sagte Köstinger zum Auftakt der Videokonferenz. "Rindfleisch oder Zucker aus Übersee sind nicht notwendig. Dort wird mit deutlich niedrigeren Produktionsstandards gearbeitet, der Transportweg ist tausende Kilometer lang. Wir in Österreich setzen auf kurze Transportwege und Regionalität von Lebensmitteln im Sinne der Nachhaltigkeit."

Köstinger sieht auch Klimaschutz-Argumente gegen das Abkommen. "Höchste Umwelt- und Klimaschutzstandards sind für uns nicht verhandelbar. Es kann nicht sein, dass durch das Abkommen weitere Regenwaldflächen abgeholzt werden."

Drei Forderungen an EU-Kommission

Die fünf EU-Staaten fordern von der EU-Kommission rasche Antworten auf die folgenden Fragen: Erstens müsse die EU-Kommission ein andauerndes Monitoring des Agrarhandels mit den Mercosur-Ländern durchführen. Zweitens verlangen die Unterzeichner der Erklärung Klärungen zu der bilateralen Schutzklausel in dem Abkommen. So müsse etwa der Begriff "ernsthafte Marktstörung" ausreichend definiert werden.

Drittens gehe es um striktere veterinäre, phytosanitäre und Lebensmittelkontrollen, um Einklang mit den höheren EU-Standards herzustellen. Viertens müsse der Abholzung und illegalen Landnutzung mehr Bedeutung eingeräumt werden. Schließlich fordern die fünf Staaten auch Details zu der von der EU-Kommission angekündigten EU/Mercosur-Agrarhilfe in Höhe von einer Milliarde Euro.

Vorbehalt des Parlaments

In der Erklärung wird auch auf den Vorbehalt des österreichischen Parlaments gegen den Freihandelspakt hingewiesen. Im türkis-grünen Regierungsprogramm ist ein Nein zum Mercosur-Abkommen verankert. Frankreich hat sein Veto gegen das ausgehandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur zuletzt bekräftigt. In der EU kommen laut Köstinger auch Signale gegen das Mercosur-Abkommen aus Polen, Belgien, Irland und Ungarn.

Mit dem Pakt wollen die Europäische Union und die vier südamerikanischen Länder die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Das soll Unternehmen in der EU jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ersparen und die Exporte ankurbeln. Das Abkommen soll die Vertragspartner, darunter Brasilien, auch zur Einhaltung von Umweltstandards und des Pariser Klimaabkommens von 2015 verpflichten. Kritiker halten dem entgegen, die EU habe den Klimaversprechen des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro vertraut, ohne effektive Regeln zur Durchsetzung von Klimaschutz und Menschenrechten zu bekommen. (APA, 16.11.2020)