Das Burgenland ist mit Michael Tojner und anderen im Clinch, es fühlt sich über den Tisch gezogen. Auch die Rolle der Anwälte wird von der Justiz geprüft.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zur Causa Tojner/Wohnbaugenossenschaften wurden erneut ausgeweitet. In der Angelegenheit geht es um den Vorwurf, Unternehmer Michael Tojner bzw. Geschäftspartner hätten das Land Burgenland rund um die gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaften Gesfö, Riedenhof und Pannonia über den Tisch gezogen, indem sie zu geringe Abschlagszahlungen geleistet hätten.

Die Vorwürfe lauten u. a. auf schweren gewerbsmäßigen Betrug und Untreue. Zudem wird thematisiert, ob Tojner selbst hinter dem Erwerb der Genossenschaften stand, was er, wie alle anderen Vorwürfe auch, bestreitet. Die WKStA nennt ihn "Mastermind" der Sache, in der das Burgenland "um zig Millionen Euro" geschädigt worden sei. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Ermittler durchsuchten Kanzleien

Zuletzt also kamen wieder etliche Beschuldigte dazu, nun sind es 37. Darunter sind zehn Unternehmen und viele Rechtsanwälte, die auf Seiten der involvierten Genossen- bzw. Gesellschaften tätig gewesen sind. Auch gegen zwei Gutachter, die sich mit der Bewertung der Liegenschaften beschäftigt haben sowie gegen Wirtschaftsprüfer, die das Burgenland beraten haben, wird ermittelt; ebenso gegen eine der großen Wirtschaftsprüfungskanzleien des Landes.

Auch in den Kanzleien der involvierten Anwälte haben die Ermittler Hausdurchsuchungen bzw. freiwillige Nachschauen durchgeführt, was immer eine besonders sensible Sache ist. Einer der Juristen hat dagegen Beschwerde erhoben – und sich vom Oberlandesgericht (OLG) Wien eine kräftige Abfuhr geholt. Die Maßnahmen seien rechtens gewesen, so der Richtersenat.

Anwalt als Akteur

Mehr noch: Das OLG Wien sieht den Anwalt noch tiefer in die Sache verstrickt als die WKStA, die ihm Untreue vorwirft. Das OLG konstatiert in seiner Entscheidung nämlich, gegen den Juristen, der u. a. Geschäftsführer einer Genossenschaft war, bestehe zudem der "dringende Verdacht" des gewerbsmäßigen Betrugs.

In seiner Beschwerde hatte sich der Anwalt darauf berufen, er habe sich bei der Bewertung der Genossenschaften bzw. Liegenschaften (aus der errechnet sich die Abschlagszahlung ans Land) auf die Gutachten und Bilanzen verlassen. Und da hätten sich nie Anhaltspunkte ergeben, dass die falsch sein könnten.

Nicht nur Parteienvertreter

In den Augen der OLG-Richter ändert das am Vorwurf nichts, sie berufen sich auf die "aktive Rolle" des Anwalts. Er könne sich nicht darauf zurückziehen, lediglich als Parteienvertreter agiert und das beste Ergebnis für den Mandanten im Auge gehabt zu haben, schreiben sie in ihrem Beschluss. Vielmehr habe der beschuldigte Jurist wie ein faktischer Geschäftsführer agiert und selbst Tathandlungen gesetzt.

Auch die Ansicht, das Land habe sich bei der Bewertungsfrage geirrt (es ging von der Bilanz 2015 statt 2013 aus) und man habe diesen Irrtum lediglich ausgenützt und daher liege kein Betrug vor, teilt das OLG nicht. Es spricht von einem "über lange Zeit zielgerichteten und systematischen Vorgehen" der Beschuldigten, das die Täuschung des Landes über das wahre Vermögen der Genossenschaften bezweckt habe.

Angeblich könnten demnächst Ermittlungen gegen weitere Beschuldigte eingeleitet werden. (Renate Graber, 17.11.2020)