"Die Schulen sind nicht zu", wurde am Montag aus türkis-grünen Regierungskreisen erneut betont. Das heißt, es kann kommen, wer will, wer mag, wer soll und wer muss.

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Tag eins des verschärften Lockdowns: Ab jetzt heißt es für (fast) alle Schülerinnen und Schüler (Sonderschulen ausgenommen) drei Wochen oder 14 Schultage lang von zu Hause aus lernen. Eigentlich. Denn alle Schulen sind zwar umgestellt auf Fernunterricht, aber jedes Kind kann auch im Lockdown in die Schule kommen und wird dort Betreuung und Lernbegleitung vorfinden. Das hat Bildungsminister Heinz Faßmann extra betont.

Es ist nur die Frage, wie viele tatsächlich kommen – weil sie wollen und vielleicht einfach gern in die Schule gehen und sich auf ihre Freunde freuen; weil sie sollen und es soziale oder pädagogische Gründe gibt, warum sie in der Schule besser aufgehoben sind als daheim, wo sie vielleicht keine Ruhe oder nicht die technischen Geräte für digitalen Unterricht haben; oder weil sie müssen, weil ihre Eltern als systemrelevante Arbeitskräfte unentbehrlich sind oder keine Sonderbetreuungszeit erhalten oder weil sie zum Beispiel selbst Lehrer sind und die eigenen Kinder im Homeoffice, von wo aus sie andere Kinder per Distanzlehre unterrichten sollen, nicht gleichzeitig entsprechend betreuen können.

Viele Gründe für "echten" Schulbesuch

Es gibt also viele Gründe, warum am Dienstag Kinder in die Schule kommen werden, obwohl ein Hauptziel des Lockdowns die Reduktion der Sozialkontakte ist – es allerdings auch viele wissenschaftliche Stimmen gibt, die dafür plädiert haben, die Schulen dennoch offen zu halten und dort regulären Unterricht unter Einhaltung umfangreicher Corona-Präventionsmaßnahmen abzuhalten.

Wie viele werden kommen? Ein User aus dem Salzburger Land schrieb im STANDARD-Forum, dass laut Eltern-Whatsapp-Gruppe "100 % der Schüler der Klasse des einen Kindes und knapp 80 % der Schüler der Klasse des anderen Kindes auch in den nächsten Wochen in der Schule sein werden. Einfach weil es richtig und für ALLE am besten ist."

Eine Generation der Corona-Verlierer?

"Unglücklich" über die Aussetzung des Präsenzunterrichts ist auch der Katholische Familienverband. Vizepräsidentin Astrid Ebenberger fürchtet, "dass wir dadurch eine ganze Generation zu Corona-Verlieren machen". In den offenen Schulen müssten die Kinder ihre "Distance-Learning-Aufgaben erledigen können und bei Bedarf dafür Unterstützung erhalten", fordert die Familienorganisation.

Die Vorsitzende der Pflichtschulelternvereine, Evelyn Kometter, hatte bereits im Montags-STANDARD berichtet, dass etwa in Oberösterreich bis zu 70 Prozent der Kinder vor Ort in die Schulen kommen würden, oftmals begründet mit schlechter Internetqualität, die den Distanzunterricht oft verunmögliche.

Wer zum Schulbesuch auffordert, muss sich nicht wundern ...

Laut Pflichtschulgewerkschaftschef Paul Kimberger haben im städtischen Raum teilweise 50 bis 70 Prozent der Eltern Bedarf angemeldet. "Das verwundert nicht, wenn Politiker Eltern auffordern, ihre Kinder trotzdem in die Schule zu schicken, und auch noch die Betreuung in Kleingruppen versprechen", sagte Kimberger zum STANDARD. "Ich bin gespannt, aber der Intention des Lockdowns wird das vermutlich nicht entsprechen."

Im Bildungsministerium verwies man am "Übergangstag" Montag auf den vom Minister erwarteten Anteil von "deutlich mehr" als im Frühjahrslockdown, als drei bis fünf Prozent der Kinder weiter in der Schule waren. Faßmann rechnet diesmal mit einem "zweistelligen Anteil im niedrigen Bereich". Allerdings registriere man, "dass alles viel ruhiger und professioneller abläuft als beim ersten Mal. Es ist niemand wirklich glücklich, dass jetzt auf Distanzunterricht umgestellt werden muss, aber die Schulen machen es einfach."

Pragmatismus statt Empörungsmodus

Das bestätigt auch die Sprecherin der AHS-Direktorinnen und -Direktoren, Isabella Zins, die in Niederösterreich mit fünf bis 15 Prozent Schüleranteil in den Klassen vor Ort rechnet. Sie setzt auf "Pragmatismus statt Empörungsmodus" und meint: "Wir waren ja alle vorgewarnt und alarmiert. Es ist eine schwierige Phase, durch die wir gemeinsam durchmüssen. Es zeigt sich aber auch, wie wichtig Kommunikation mit Eltern, Schülern und Lehrkräften ist. Es hängt auch sehr von uns Schulleitern ab, wie die Umstellung klappt oder ob alle frustriert sind und ins Chaos gestürzt werden." Die Leiterin des BORG Mistelbach überlegt etwa gerade mit ihrem Corona-Krisenteam, ob man schulautonom Luftreinigungsgeräte anschafft.

Sie sagt aber auch: "Man hätte bei der Regelung jetzt schon auch bedenken müssen, dass auch Lehrer Eltern sind und wie sie es schaffen sollen, als Lehrer ihre Klassen auf Distanz zu unterrichten, und gleichzeitig ihre eigenen Kinder daheim betreuen sollen."

Sonderverträge und Überstunden

Um diesen Spagat zu meistern, will das Ministerium Lehramtsstudierende für Betreuungsaufgaben per Sondervertrag anstellen. Es gibt dazu ja bereits einen Personalpool mit rund 1.800 Interessenten, die ursprünglich als Ersatz für erkrankte oder in Quarantäne befindliche Lehrer gedacht waren. Außerdem sollen Überstunden ausbezahlt werden. (Lisa Nimmervoll, 16.11.2020)