Seit Mitternacht ist das Land wieder zugesperrt. Viele Geschäfte müssen schließen, Veranstaltungen gibt es ohnehin nicht. Auch Besuche sollen eingeschränkt werden, aber da gibt es noch Unschärfen.

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Was darf man, was nicht? Diese Frage steht, wenn es um Corona geht, plötzlich wieder im Raum. Acht Monate nachdem die Pandemie über das Land kam, ist unklar, was die aktuell geltende Verordnung genau regelt.

Frage: Warum herrscht Verwirrung?

Antwort: Seit Samstag sandte die Regierung unterschiedliche Signale dahingehend aus, wie die ab heute, Dienstag, geltende Lockdown-Verordnung zu verstehen ist. Auch Verfassungsjuristen sind in manchen Punkten uneins.

Frage: Wann darf ich prinzipiell noch meine Wohnung verlassen?

Antwort: Es wurden neun Ausnahmen festgelegt, die es erlauben, die eigene private Wohnung zu verlassen. Darunter fallen unter anderem die Abwendung einer unmittelbaren Gefahr, die Betreuung von und Hilfeleistung für sogenannte "unterstützungsbedürftige Personen", erforderliche berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke, Wege zu unaufschiebbaren Behörden- oder Gerichtsterminen, zur Teilnahme an Wahlen, zum Zweck des (zulässigen) Betretens von Kundenbereichen von Betrieben und zur Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen. Ebenso darf man zur "körperlichen oder psychischen Erholung" die Wohnung verlassen und auch zur "Deckung notwendiger Grundbedürfnisse".

Frage: Was bedeutet körperliche und psychische Erholung?

Antwort: Prinzipiell gibt es hier keine Einschränkungen, was die Aktivität betrifft. Legitime Erholungsgründe wären Wandern ebenso wie Joggen und Spazieren. Auch in zeitlicher Hinsicht gibt es hier keine Beschränkung. Wichtig ist der Ein-Meter-Abstand zu haushaltsfremden Personen.

Frage: Und was gilt als Grundbedürfnis?

Antwort: Mehrere Dinge werden als Grundbedürfnisse angesehen. Darunter fällt etwa nicht nur das Einkaufen von Lebensmitteln, sondern auch der Kontakt zum Lebenspartner – selbst wenn man nicht zusammenwohnt. Festgelegt wird auch, dass es legitim ist, "einzelne engste Angehörige" sowie "einzelne wichtige Bezugspersonen" zu treffen.

Frage: Was bedeuten diese Bezugspersonenregeln konkret?

Antwort: Darüber wird nun intensiv debattiert. So meinte etwa Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei der Präsentation der Regeln, man solle, gerade wenn man allein wohnt, eine Person definieren, mit der man Kontakt habe. Das ist so aber nicht durch die Verordnung gedeckt. Außerdem veröffentlichte das Gesundheitsministerium einige Begleittexte zum Gesetz, auch die änderten sich im Laufe der letzten Tage diesbezüglich mehrmals.

Freundes- und Familienbesuch

Frage: Was steht in diesen Begleitschreiben?

Antwort: In der aktuellsten Version dieser sogenannten rechtlichen Begründung ist folgende Formulierung enthalten: "Ein Einzelner darf daher zu einem anderen Haushalt mit besonderem Naheverhältnis physischen Kontakt haben (…). Nicht erlaubt ist (...), dass mehrere Einzelne gleichzeitig zu einem oder mehreren anderen Haushalten (…) Kontakt haben." Das würde bedeuten, so bestätigen das Gesundheitsministerium und der Verfassungsjurist Peter Bußjäger dem STANDARD, dass eine Einzelperson zwar einen Haushalt besuchen dürfe, aber im Gegensatz dazu nicht ein ganzer Haushalt gesammelt zu einem Besuch ausrücken dürfe – natürlich stets unter der Prämisse, dass es sich um besonders enge Vertraute oder Familienmitglieder handelt.

Frage: Also was gilt nun?

Antwort: Es wird noch komplizierter: Laut dem Verfassungsjuristen Heinz Mayer steht eben dieses Schreiben im Widerspruch zur Verordnung selbst. "Die rechtliche Begründung ist mit dem Verordnungstext nicht gut vereinbar. Und zwar in einem Maß, das dazu führt, dass sie irrelevant wird", sagt er. Die Motive des Gesetzgebers sind zwar bei jeder Gesetzesauslegung relevant, wenn die aber im Widerspruch zum Gesetzestext stehen – "und das ist in dem Fall der Fall", sagt Mayer –, dann gilt, was in der Verordnung steht. Damit sei es nach seiner Rechtsansicht auch möglich, dass ein ganzer Haushalt einen anderen Haushalt besucht, sofern alle Beteiligten verwandt oder eng bekannt sind. Das Gesundheitsministerium ist da anderer Ansicht. Ausnahmen seien eng zu interpretieren, heißt es von einer Sprecherin, daher gebe es keinen Widerspruch zwischen Begleittext und Verordnung.

Frage: Sind also Familienfeiern doch möglich?

Antwort: Mayer sagt zwar, niemand könne etwas dafür, wenn in dem Haushalt, den man gerade besucht, auch gerade noch andere zu Besuch seien – wodurch die Verordnung recht große Zusammenkünfte legal machen würde. Familienfeiern seien aber trotzdem nicht erlaubt: "Was nicht ginge, ist, dass etwa der Familienpatriarch die ganze Familie zum Fest einlädt", sagt Mayer. Aber umgekehrt können eben mehrere nahe Familienmitglieder zum Gratulieren kommen – auch gleichzeitig.

Frage: Ist es also egal, wenn solche Zusammenkünfte vorkommen?

Antwort: Nein. Die Lage im Gesundheitssystem ist sehr ernst. Seit geraumer Zeit warnen Ärzte vor der Überlastung der Intensivmedizin.

Frage: Was ist eigentlich mit Blind Dates oder Tinder-Dates?

Antwort: Die sind trotzdem nicht erlaubt. Denn eine Person, die man noch nie – oder auch selten – getroffen hat, gilt nicht als enge Bezugsperson.

Frage: Und was ist, wenn ich mein Date draußen treffe?

Antwort: Auch das geht nicht. Die Verordnung regelt das Verlassen des eigenen privaten Wohnraums, daher gelten die Regeln auch im öffentlichen Raum. Tatsächlich sind die Regeln dort sogar noch strenger, denn im öffentlichen Raum gilt zusätzlich die Abstandsregel.

Frage: Mit welchen Strafen muss man rechnen, wenn man sich nicht an die Regeln hält?

Antwort: Die Polizei will zwar primär auf Dialog setzen, doch im Ernstfall drohen auch Strafen. Fehlt der Mund-Nasen-Schutz, sofern einer vorgeschrieben ist, muss man 25 Euro hinlegen. Hält man nicht ausreichend Abstand, drohen 50 Euro Strafe. Feiert man gar eine Garagenparty, drohen eine Anzeige und eine Strafe bis zu 1450 Euro.

Frage: Sind solche Strafen gerecht, wenn es so viele Unklarheiten gibt?

Antwort: Zumindest einige Juristen sagen: Nein. Mayer fordert etwa, dass man erst abmahnt, anstatt zu strafen. Auch Rupert Wolff, Präsident der Rechtsanwaltskammer, sagte, er hofft, dass die Behörden bei der Kontrolle nicht auf Strafen setzen, sondern auf Aufklärung.

Frage: Ist wegen dieser Unklarheiten die gesamte Verordnung sinnlos?

Antwort: Nein. Alles in allem, so sagen vom STANDARD konsultierte Juristen und Juristinnen, sei die Qualität der Verordnung im Großen und Ganzen recht hoch – vor allem im Vergleich zu jenen Verordnungen aus dem Frühling.

Bildung und Betreuung

Frage: Haben Eltern im Lockdown einen Rechtsanspruch auf eine Sonderbetreuungszeit für ihre Kinder?

Antwort: Darüber herrschte am Wochenende Konfusion. Im entsprechenden Gesetz, das am Freitag im Parlament beschlossen werden soll, hat Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) keinen generellen Rechtsanspruch vorgesehen. Eine Sonderbetreuungszeit kann demnach nur mit Zustimmung der Arbeitgeber genehmigt werden. Die Ministerin argumentiert, die Schulen würden nicht behördlich geschlossen – nur dann gebe es einen Rechtsanspruch. Dieser werde nur dann wirksam, wenn keine Betreuung der unter 14-Jährigen zur Verfügung stehe. Dies sei aber nicht der Fall, bei Bedarf würde ja Betreuung angeboten.

Frage: Wie wird das aussehen?

Antwort: Grundsätzlich soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zwischen dem 1. November 2020 und dem 9. Juli 2021, die Kinder bis zum 14. Lebensjahr oder Menschen mit Behinderungen betreuen müssen oder Angehörige pflegebedürftiger Personen sind, mithilfe eines Rechtsanspruchs auf Sonderbetreuungszeit möglich gemacht werden, ihre Angehörigen weiter bei laufendem Arbeitsverhältnis zu betreuen. Den Arbeitgebern wird das fortgesetzte Entgelt ersetzt.

Frage: Was ist in den nächsten drei Wochen mit überbetrieblicher Ausbildung und Erwachsenenweiterbildung?

Antwort: Ab Dienstag gibt es keine Präsenzveranstaltungen mehr, bestätigt das Wifi, soweit wie möglich wurde auf Distance-Learning umgestellt. Allerdings ist das nicht bei allen Kursen möglich. Selbiges gilt für überbetriebliche Lehrwerkstätten. Auch die Berufsschulen unterrichten auf Distanz, Distance-Learning heißt es zudem für AMS-Kurse.

Frage: Dürfen Handwerker für wichtige Reparaturen zu mir nach Hause kommen, etwa für die Heizung?

Antwort: Ja, die Handwerksbetriebe und ihre Werkstätten sind nicht geschlossen. Handwerker dürfen – mit Abstand und Maske – alles machen, was ihr Job ist, vom Heizungreparieren bis Küchemontieren.

Einkaufen und Essen

Frage: Sind Friseuren, Masseuren, Kosmetikern und Fußpflegern Hausbesuche gestattet?

Antwort: Alle Dienstleistungen sind laut Wirtschaftskammer bei privaten Kunden derzeit zu Hause zulässig. Mobile Friseure und mobile Kosmetiker haben also bisher noch grünes Licht. Die Kunden selbst dürfen nicht zu ihnen gehen.

Frage: Wo darf man jetzt noch einkaufen?

Antwort: Supermärkte, Drogerien, Apotheken, Trafiken haben bis 19 Uhr geöffnet. Tankstellenshops, Bäcker, Fleischer dürfen ebenso verkaufen wie Zuckerlgeschäfte, Vinotheken, Tierfutterhändler und jene, die medizinische Produkte anbieten. Baustoffhändler dürfen Baustellen versorgen, jedoch keine Privatkunden – außer mit Notfalls- und Sicherheitssortiment. Direktvertrieb, auch der Ab-Hof-Verkauf, ist zulässig, Verkaufspartys freilich nicht. Pro Vergehen büßen Unternehmer mit Strafen in Höhe von 3600 Euro.

Frage: Ist es erlaubt, bestellte Ware vor den Geschäften selbst abzuholen?

Antwort: Click and Collect ist Händlern verboten, was für harte Konflikte sorgt. Gastronomen steht dieser Service nämlich frei, ihre Lokale dürfen auch betreten werden. Bis 19 Uhr dürfen Speisen bei ihnen abgeholt werden. Essen zu liefern ist weiterhin rund um die Uhr erlaubt.

Frage: Warum gilt die Ausgangsbeschränkung für Gäste der Wirte nur teils?

Antwort: Essen ist ein Grundbedürfnis, Einkaufen nicht. Gegessen ist die Regel für den Handel aber nicht. Hinter den Kulissen ringen die Sozialpartner noch heftig darum.

Frage: Warum dürfen, anders als im Frühjahr, kleine Geschäfte nicht öffnen?

Antwort: Die Grenze lag damals bei 400 Quadratmetern. Die Folge waren unzählige Klagen von Händlern, die sich ungleich behandelt sahen und von Willkür sprachen. Der Verfassungsgerichtshof hebelte die Regelung daraufhin aus.

Frage: Wie viel Umsatz wird Händlern im Lockdown verlorengehen?

Antwort: Die Johannes-Kepler-Uni rechnet mit täglich gut 130 Millionen Euro, der Handelsverband mit 900 Millionen pro Woche. 6.000 Betriebe seien aufgrund von Corona in ihrer Existenz gefährdet. Zahltag ist nach Weihnachten. Dann zeigt sich, wie viel an Kaufkraft zu internationalen Onlineriesen abwanderte. Österreichs Handel hat jedenfalls viel in eigene Webshops und Plattformen investiert. Alternativen zu Amazon gibt es mittlerweile genug.

Frage: Wie geht es eigentlich dem Sporthandel mit den Skiern?

Antwort: Dieser stellt sich auf magere Zeiten ein. Im Verleih ist aufgrund fehlender Touristen mit hohen zweistelligen Rückgängen zu rechnen.

Skifahren und Wintersport

Frage: Und wo kann man Skifahren?

Antwort: Derzeit nirgendwo, und das wohl noch für längere Zeit. Der Skibetrieb am Resterkogel bei Kitzbühel, wo am 24. Oktober mit konserviertem Schnee aus dem Vorjahr in die Saison gestartet wurde, ist bis Ende des Lockdowns ausgesetzt.

Frage: In weiten Teilen Österreichs fehlt ohnehin der Schnee für einen früheren Saisonstart. Was aber ist mit den Gletscherskigebieten?

Antwort: Auch dort gilt die Sperre, und zwar bereits seit 3. November, als der Lockdown light in Kraft trat. Von der Schließung betroffen sind acht Gletscherskigebiete: Hintertux, Stubai, Sölden, Pitztal, Mölltal, Kaunertal, Kitzsteinhorn und Dachstein. Im Laufe des Novembers wären weitere hoch gelegene Skigebiete in die Saison gestartet, darunter Obertauern, Gurgl und Silvretta Montafon. Sie müssen den Saisonstart nun auf Dezember verschieben und hoffen, dass bis dahin die Fallzahlen so weit gesunken sind, dass ein Skibetrieb möglich ist und auch wichtige Gastländer wie Deutschland ihre Reisewarnungen zurücknehmen.

Frage: Was ist mit Ski-Openings?

Antwort: Die wurden großteils abgesagt oder verschoben. Ischgl hat den ursprünglich für 26. November geplanten Saisonstart auf 17. Dezember verschoben. Andere sind unbestimmter. Das Skigebiet Hauser Kaibling (Schladming) etwa will in die Saison starten, "sobald es die Bedingungen zulassen", wie auf der Homepage zu lesen ist.

Frage: Wird es zu Weihnachten möglich sein, Ski zu fahren?

Antwort: Die meisten Seilbahnunternehmen gehen davon aus, dass sie kurz vor Weihnachten aufsperren können. Der harte Lockdown sei vielleicht "die letzte Chance, dass wir eine sehr eingeschränkte Saison überhaupt auf die Reihe bekommen", sagt Seilbahnsprecher Franz Hörl. Wenn eine Normalisierung der Lage bis Silvester eintrete, sei dies aufgrund der derzeit hohen Infektionszahlen schon ein Glück.

Frage: Was ist mit Saisonkarten?

Antwort: Die werden weiterverkauft. Die Seilbahnunternehmen informieren aber vermehrt über Risiken und wollen bei stark reduziertem Betrieb vergleichsweise hohe Anteile des Preises rückerstatten. (Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, Walter Müller, Günther Strobl, Verena Kainrath, Alexander Hahn, 17.11.2020)