Berlin/Dresden – Die Einsatzkräfte kamen am frühen Morgen, und es waren nicht wenige. 1600 Polizisten durchsuchten am Dienstag im Berliner Bezirk Neukölln Wohnungen, Garagen und Autos im Zusammenhang mit jenem Kunstdiebstahl, der sich am 25. November 2019 im Grünen Gewölbe in Dresden zugetragen hat.

Damals verschwanden aus der weltberühmten, 1723 bis 1729 errichteten Schatzkammer von August dem Starken, die heute zur Staatlichen Kunstsammlung gehört, Juwelen von unschätzbarem Wert.

Eigentlich galt das Grüne Gewölbe als besonders gut gesichert. Doch den Tätern gelang es, mit einem ansonsten von der Feuerwehr benutzten Hydraulikspreizer die Gitterstäbe an den Fenstern auseinanderzudrücken. Dann stiegen sie in die Schatzkammer ein und zerschlugen mit Äxten die Vitrinen.

Drei Personen wurden am Dienstag in Berlin festgenommen. Die Männer – zwei 23-Jährige und und ein 26-Jähriger – werden zum sogenannten Remmo-Clan gezählt, einer deutsch-arabischen Großfamilie.

Viele Mitglieder fallen immer wieder im Zusammenhang mit schweren Straftaten auf. Einer der nun im Falle des Dresdner Diebstahls Verdächtigen wurde erst im Februar wegen eines anderen spektakulären Diebstahls vom Landgericht Berlin verurteilt.

Die Vitrine der Schmuckstücke in Dresden, bevor sie von Einbrechern leergeräumt wurde.
Foto: APA/EPA/Brandt

In der Nacht vom 27. März 2017 hatten Diebe aus dem Berliner Bode-Museum eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze entwendet.

Die Münze (Big Maple Leaf) bestand zu 99,999 Prozent aus Gold, ihr Materialwert soll zur Tatzeit bei 3,3 Millionen Euro gelegen sein. Es gibt nur fünf Exemplare dieser Riesenmünze – oder besser gesagt: Es gab nur fünf.

Das Berliner Exemplar ist nie wieder aufgetaucht, Ermittler gehen davon aus, dass es eingeschmolzen wurde. Verurteilt zu einer Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wurde unter anderem der damals 20-jährige Wissam Remmo.

Die Dresdner Juwelen sind nach wie vor verschollen.
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"Die Münze ist bei der Familie Remmo", zeigte sich Richterin Dorothee Prüfer im Prozess überzeugt. Man habe Goldspuren, Goldpartikel und Goldspäne in Wohnungen und auf Kleidungsstücken gefunden.

Wissam Remmo, der die Haftstrafe im Goldmünzen-Fall noch nicht angetreten hatte, war zuvor schon in Erlangen (Bayern) wegen Diebstahls von Hydraulikspreizern verurteilt worden.

Gefahndet wird im Zusammenhang mit dem Grünen Gewölbe nach zwei weiteren Mitgliedern des Remmo-Clans. Die Juwelen hat die Polizei nicht gefunden. Die Chancen stuft sie als sehr gering ein. "Aber", sagte Polizeisprecher Thomas Geithner, "die Hoffnung stirbt zuletzt."

Update: Verdächtiger sollte in Berlin in Haft

Wie am Mittwoch bekannt wurde, muss einer der Verdächtigen für den Kunstdiebstahl im Grünen Gewölbe im Dresdner Residenzschloss wegen eines anderen Diebstahls noch eine Haftstrafe in Berlin absitzen. Der heute 23-Jährige, der am Dienstag zusammen mit zwei weiteren Verdächtigen gefasst wurde, war im Februar 2020 als Beteiligter am Diebstahl einer 100 Kilo schweren Goldmünze auf der Museumsinsel zu viereinhalb Jahren verurteilt worden, die Jugendstrafe war seit September rechtskräftig.

Das für die Vollstreckung zuständige Amtsgericht Tiergarten habe den Mann bisher nicht zum Haftantritt aufgefordert, wie eine Gerichtssprecherin am Mittwoch auf Anfrage bestätigte. Zwei Mitangeklagte im Fall der Goldmünze "Big Maple Leaf" hatten Revision gegen den Schuldspruch beantragt, der 23-Jährige hatte seine Strafe angenommen. Nach seiner Festnahme im Jahr 2017 war er von der Untersuchungshaft mit der Bedingung verschont worden, sich dreimal in der Woche bei der Polizei zu melden und alle 14 Tage die Teilnahme an einem Kurierdienst-Praktikum zu bescheinigen. Diese Bedingungen habe der Mann stets erfüllt, sagte die Gerichtssprecherin weiter.

Im Juli 2018 wurde der Haftbefehl auf Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aufgehoben, da zu diesem Zeitpunkt der Abschluss der Ermittlungen nicht absehbar war. (Birgit Baumann aus Berlin, APA, 17.11.2020)