Bei pfleglicher Behandlung hat man lange Freude an einer mechanischen Uhr. Fragen Sie Ihren Uhrmacher.

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Mit der Uhrenpflege verhält es sich ähnlich wie mit der Zahnpflege: Man sollte sich die Beißerchen regelmäßig putzen und nicht erst dann zum Zahnarzt gehen, wenn es schon zu spät ist und der Backenzahn bereits eitert. Denn neben dem Aua kann es dann unter Umständen richtig teuer werden – Tränen inklusive. Kommt halt drauf an, was dann mehr schmerzt.

Uhrmachermeister Hans Mikl, der in der Wollzeile im Ersten Bezirk in Wien ein kleines, feines Uhrengeschäft samt kompetenter Serviceabteilung betreibt, gefällt diese Analogie – und das Analoge, Mechanische sowieso: Quarzuhren, gar Smartwatches, kommen ihm generell nicht ins Haus. "Ich mag s’ nicht", sagt er im Brustton des überzeugten Liebhabers mechanischer Zeitmesser.

Leistungsträger

Für Mikl ist die Uhr, wie für viele andere Aficionados auch, ein Wunderwerk der Technik. Ihr Werk ist darauf ausgerichtet, täglich pausenlos zu arbeiten. Nicht zu Unrecht trägt der Taktgeber des Zeitmessers den Namen Unruh: In einer modernen Armbanduhr schwingt sie stündlich 28.800-mal hin und her. Würde man einen Punkt auf dieses winzige Bauteil zeichnen und die zurückgelegte Winkelstrecke auf das 16-Zoll-Rad eines Autos übertragen, so käme man auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 90 Kilometern pro Stunde. Das haben einmal die Experten eines Armbanduhrenmagazins ausgerechnet. Nach 8.760 Betriebsstunden (so viele Stunden hat ein Jahr) ergäbe das eine Strecke von 788.400 Kilometern jährlich. Da kann selbst der beste Automotor nicht mithalten – egal, ob mit oder ohne regelmäßige Wartung.

Beim Uhrmacher wird der Zeitmesser auf Herz und Nieren überprüft.
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Für die meisten ist ein Zeitmesser nicht zuletzt ein zuverlässiger Begleiter im täglichen Leben. Als solcher will er gut behandelt werden. Einiges an Ungemach kann man sich unter Einsatz des Hausverstands ersparen, meint Mikl: So sollte man die Uhr (aber auch das Armband) nach dem Tragen regelmäßig mit einem weichen, feuchten Tuch abwischen, um Schweiß-, Talg- und andere Rückstände zu entfernen. "Für die Reinigung der Zwischenräume tut’s eine weiche Zahnbürste", sagt Mikl. Auf Reinigungsmittel sollte man verzichten. Noch gründlicher gesäubert wird die Uhr in einem speziellen Ultraschallgerät beim Uhrmacher.

Parken verboten

Prinzipiell mögen es mechanische Zeitmesser trocken und nicht übermäßig warm oder kalt. Sie liegen gerne weich und nicht gerne in der prallen Sonne. "Die mitgelieferten Boxen eignen sich gut zum Lagern, es gibt aber auch spezielle, gepolsterte Schmuck- und Uhrenkästchen", sagt der Uhrmachermeister. Wer eine oder mehrere hochpreisige Luxusuhren sein Eigen nennt, kommt um die Anschaffung eines Safes nicht herum – dieser sollte dann aber idealerweise nicht im feuchten Keller stehen, scherzt Mikl.

Armbanduhren liegen gerne weich.
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Bei den oftmals für die Aufbewahrung von Uhren angepriesenen Uhrenbewegern, Umlaufgeräte nennt sie der Fachmann, meint man den Experten am anderen Ende der Telefonleitung den Kopf schütteln zu hören. Darauf ausgelegt, einen Ticker mit automatischem Aufzug mittels Drehbewegungen am Laufen und damit immer auf dem aktuellen Stand der Zeit, des Datums und/oder der Mondphase zu halten, wären die Dinger an sich eine gute Sache, sagt Mikl.

Verschleißerscheinungen

Er warnt aber davor, es zu übertreiben: "Ein Umlaufgerät ist keine Garage!" Für eine überschaubare Zeitspanne, etwa ein oder zwei Wochen, ist es durchaus okay, einen Uhrenbeweger zum Einsatz zu bringen, damit man die Uhr nicht neu stellen muss. Aber wenn es zu einem Dauerzustand wird, kann das mehr schaden als nützen. Denn das Werk würde dadurch stark in Anspruch genommen. Mikl: "Ich habe schon Uhren hier gehabt, die waren kein Jahr alt, aber deren Werk sah aus wie nach fünf Jahren Dauerbetrieb."

Sichtbar wird das an den Verschleißerscheinungen und der Menge an feinstem Abrieb, der das präzise abgestimmte Getriebe des Uhrwerks gehörig aus dem Takt bringen kann, weil er sich darin überall verteilt. Auch Uhren, die pfleglich behandelt werden, seien davon betroffen, aber erst nach einer wesentlich längeren Zeitspanne, sagt Mikl. Faustregel: Je komplizierter die Uhr ist, also je mehr Teile das Uhrwerk hat, desto mehr kann kaputt werden, desto teurer kann es werden. Oder wie Mikl es ausdrückt: "Was nicht da ist, kann nicht hin werden."

Entspannen lassen

Wer in der Zwickmühle ist, also mehrere Uhren besitzt, und sich jetzt Sorgen um "Standschäden" macht: Diese lassen sich leicht vermeiden, wann man die guten Stücke alle paar Monate einmal sanft aufzieht. Aber prinzipiell sei es durchaus ratsam, sagt der Experte, auch der Uhr einmal ein bisschen Ruhe zu gönnen, damit sie sich entspannen kann.

Einmal im Jahr sollte man die Uhr auf Wasserdichtigkeit überprüfen lassen.
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Nachts sollte die Uhr nicht an kalten Orten abgelegt werden, Tische mit Glasoberflächen zum Beispiel sind nicht ideal, da Ganggenauigkeit und Öl – ja, auch das Getriebe einer Uhr muss geschmiert sein – unter den Temperaturschwankungen leiden. Die Temperatur der Uhr am Arm beträgt übrigens rund 30 Grad Celsius.

Stöße vermeiden

Je nachdem, wie man seine Uhr ablegt, kann man deren Ganggenauigkeit, also ob sie vor- oder nachgeht, beeinflussen, zumindest teilweise: Liegt der Zeitmesser auf der Seite, mit der Krone nach oben, läuft die Uhr langsamer, da sich die Unruh in einer hängenden Position befindet und der Widerstand größer ist. Zifferblatt unten bedeutet, die Uhr läuft schneller, da hier die geringste Reibung auftritt.

Was die Uhr sonst noch belasten könnte, beispielsweise sportliche Betätigung wie Golf oder Tennis, also wenn das Werk zwangsläufig heftigen Stößen ausgesetzt wird, sollte man besser vermeiden. Ebenso ist es nicht ratsam, die Armbanduhr in der Sauna zu tragen oder mit ihr unter die Dusche zu gehen oder zu tauchen – sollte es sich bei ihr nicht dezidiert um eine speziell dafür ausgelegte Taucheruhr handeln.

Dicht halten

Aber selbst in diesem Fall rät der Fachmann dazu, den Uhrmacher seines Vertrauens aufzusuchen, bevor es ab in die Tiefe geht. "Dichtungen sind mit das Anfälligste. Sie werden porös, Feuchtigkeit dringt, anfangs meist unbemerkt, in das Uhrwerk ein, es beginnt zu rosten", erklärt Mikl. "Wenn es einmal so weit ist, dann ist die Uhr ein Totalschaden." Sollte also das Zifferblatt (egal, bei welchem Uhrentyp) anlaufen, ist Eile geboten. Einmal jährlich empfiehlt sich ein kleiner Service: Die Wasserdichtigkeit wird überprüft, die Uhr wird gesäubert, die Ganggenauigkeit getestet etc. Damit kann man dem "großen" Service, der bei jeder Uhr, je nach Herstellerangabe, alle drei bis fünf Jahre gemacht werden sollte, gelassener entgegensehen und ihn eventuell sogar hinauszögern.

Ein weiterer Punkt, der bei Mikl auf wenig Verständnis stößt, ist die in den letzten Jahren immer wieder ausgesprochene Warnung vor Magnetismus. Er schildert: "Das ist ein Thema, das von der Industrie aufs Tablett gebracht wurde, um, einhergehend mit neuen Siliziumbauteilen, Impulse zu setzen und mehr Uhren zu verkaufen." Es werde suggeriert, dass der Magnetismus eine ständige Gefahr darstelle.

Er habe, als Träger von Vintage-Uhren ohne jeglichen "Magnetschutz", tatsächlich noch nie eine magnetisierte Uhr gehabt. Man sollte sie halt tunlichst nicht auf einen Lautsprecher oder neben einen Induktionsherd legen. Und selbst wenn es einmal passiert: "aufmachen, reinigen, entmagnetisieren, einregulieren, zumachen und fertig." (Markus Böhm, RONDO, 30.11.2020)