Volle Tunnel statt volle Straßen: Das System von Smart City Loop soll das in Hamburg auf der "vorletzten Meile" möglich machen.

Foto: Smart City Loop GmbH

Die urbane Infrastruktur stößt vor allem durch den Warenverkehr langsam an ihre Grenzen: Die Städte sind schließlich in den letzten Jahrzehnten erheblich langsamer gewachsen als das Liefervolumen.

Da dies nach und nach die Gesamtmobilität einschränkt und zu vermehrten Emissionen führt, zerbrechen sich Logistikexperten schon seit einer Weile die Köpfe, wie man dieses Problem lösen kann. Manche sehen in der Luftfracht in Form von Drohnen die Zukunft. In Hamburg orientiert man sich dagegen jetzt in die andere Richtung.

Dort soll der Güterverkehr vermehrt unterirdisch abgewickelt werden: Das Kölner Unternehmen Smart City Loop plant, unter der Elbe hindurch ein automatisches Röhrensystem zu bauen, über das Waren vom Stadtrand ins Zentrum transportiert werden können. Unlängst verkündete die Hansestadt, dass sie das Projekt fortan unterstützt.

Dringend notwendig

"Wir haben hier nur eine schon ältere Idee aufgegriffen", erzählt der geschäftsführende Gesellschafter von Smart City Loop, Christian Kühnhold. "Es werden in Städten viele Dinge durch unterirdische Rohrleitungen transportiert – zum Beispiel Fernwärme und Starkstrom. Um auch große Warenmengen auf diese Art zu bewegen, ist schon eine Leitung mit einem Durchmesser von vier Metern ausreichend."

Und eine solche Verlagerung nach unten sei dringend notwendig: Allein der stark wachsende Paketversand mache laut Kühnhold schon zehn Prozent des in der Stadt bewegten Warenvolumens aus.

Hamburg sei daher ein Paradebeispiel für eine urbane Transportwirtschaft am Limit: "Nehmen wir das Beispiel Hafencity — und das ist noch nicht einmal ein sonderlich altes Quartier: Wenn dort in der Mittagszeit drei Anlieferfahrzeuge und zwanzig Pkws aufeinandertreffen, bewegt sich die nächsten zehn Minuten erst einmal nichts." Durch die Elbe, die Hamburg teilt, kommen außerdem noch viele Nadelöhre in Form von Brücken und Tunneln hinzu, die völlig überlastet sind.

"Die Röhre ist die bessere Alternative", ist Kühnhold überzeugt. "Am Stadtrand werden die Güter aufgegeben und unterirdisch bis in die Innenstadt befördert. Die Ware ist so im Durchschnitt in eineinhalb Stunden beim Empfänger. Mit dem Lkw dauert das zwei Stunden länger." Ist die Ware am anderen Ende angelangt, wird sie rasch weitertransportiert – ein großes Auslieferungslager im Zentrum braucht es daher nicht.

1500 Lkws pro Tag

Das sagt auch Francisco Bähr, geschäftsführender Gesellschafter von Four Parx. Das Unternehmen für Immobilienentwicklung konzipiert wiederum die Hubs, die Umschlagstationen der Röhre.

"Die Kommunen wollen keine Logistikimmobilien in der Innenstadt. Deshalb haben wir überlegt, wie wir für solche Gebäude Akzeptanz schaffen können. Dadurch sind wir auf Smart City Loop gestoßen: Das ist eine sehr charmante Lösung."

Palettierte Güter werden bei Smart City Loop automatisiert durch unterirdische Fahrrohrleitungen transportiert.
Foto: Smart City Loop GmbH

Ist die Ware im Zielhub angekommen, wird sie dort von kleineren Fahrzeugen übernommen. Durch die höhere Warenfluktuation des Systems braucht es somit wenig Lagerflächen und daher kein massives Gebäude, das das Stadtbild stört und dessen Anlieferungsverkehr die Infrastruktur stark belastet.

Bähr schätzt, dass bei Vollbetrieb bis zu 1500 Lkws am Tag über dieses System abgewickelt werden können und somit nicht mehr durch die Stadt zu fahren brauchen. "Das hat große Vorteile", befindet er. "Es spart CO2-Emissionen, reduziert den Lärm und erhöht die Sicherheit auf der Straße." Und: Das System sei im Prinzip überall anwendbar – Städte ab 200.000 Einwohnern mit hohem Verkehrsaufkommen würden sich dafür anbieten.

Auch in der Schweiz wird seit einigen Jahren an einem ähnlichen System getüftelt. Erst Ende letzten Monats wurde mit einem Gesetz des Schweizer Bundesrats für unterirdische Gütertransportanlagen eine wichtige Weiche für die Realisierung des sogenannten Cargo Sous Terrain (CST) gestellt: Im Raum nördlich der Alpen soll ein 500 Kilometer langes, weitverzweigtes Netz von sechs Meter breiten Tunneln entstehen – mit drei Fahrspuren und zehn Zugangshubs zwischen Härkingen und Zürich.

Neue Dimension

Davon erhofft man sich eine erhebliche Entlastung des bestehenden Güterverkehrs, erklärt CST-Sprecher Patrik Aellig: "Klar ist, dass es keinen unbeschränkten oberirdischen Ausbau und kein unbeschränktes Wachstum mehr geben kann, wenn wir Lebensgrundlagen und Lebensqualität auch künftig erhalten wollen. Der bestechende Vorteil ist: Wir eröffnen mit dem Untergrund eine neue Dimension für eine wichtige Infrastruktur."

2031 will man das erste Teilstück eröffnen. Langfristig soll so jeder fünfte Lkw unsichtbar werden. (Johannes Lau, 19.11.2020)