Eine globale Kontrolle der Lieferkette soll u. a. die Arbeitsbedingungen in Drittstaaten verbessern.

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Einstürzende Fabriken in Bangladesch, miserable Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern: 2021 will die EU-Kommission für aus Europa agierende Unternehmen verpflichtende SorgfaltsStandards in deren Lieferketten schaffen. Das hat sie Anfang Oktober angekündigt.

Das Anliegen ist nicht neu. Ursprünglich hatte die OECD Leitsätze aufgestellt, an denen sich Unternehmen freiwillig ausrichten und ihre globalen Lieferketten kontrollieren sollten. Es geht um Umweltvergehen, Menschenrechtsverletzungen, Korruption. Viele Firmen schmücken sich mit Bekenntnissen zu dieser Sorgfalt, doch hat sich die Situation nicht grundlegend verändert.

Schutz für Mensch ...

Auf Initiative von Ecuador und Südafrika wurde schon vor längerem der UN-Menschenrechtsrat in Genf mit diesem Anliegen befasst. Seit 2014 arbeiten die UN an einem rechtlich bindenden übernationalen Staatsvertrag, der sicherstellen soll, dass gegen betroffene Firmen auch in deren Heimatstaat vorgegangen werden kann. Inzwischen liegt ein überarbeiteter Vertragsentwurf vor.

Nun hat die EU reagiert. "Da freiwillige Verpflichtungen der Unternehmen zur Sorgfaltspflicht in Drittstaaten nicht zur Norm geworden sind, will die Kommission im nächsten Jahr Gesetzesvorhaben einleiten, damit global operierende Unternehmen aus Europa auch entlang der Lieferketten und an ihren Produktionsstandorten außerhalb Europas Verantwortung übernehmen", schreibt die Kommission auf ihrer Internetseite.

... und Umwelt

In Österreich gibt man sich abwartend. Mehrere Initiativen würden derzeit international parallel laufen, heißt es aus den betroffenen Ministerien (Justiz, Äußeres und Wirtschaft). Man sei an einer EU-weiten Lösung interessiert, doch habe man zwischen den einzelnen Ressorts noch keine gemeinsame Linie abgestimmt. Vorschläge für ein solches Regelwerk, das sowohl zivilrechtliche wie strafrechtliche Haftung vorsieht, gebe es schon in einigen EU-Staaten.

Erst aber muss ein Text auf Ebene der Europäischen Union formuliert werden, der dann vom EU-Rat behandelt wird. Das könnte noch Jahre dauern, denn um eine gemeinsame Norm daraus zu machen, müssen 26 Rechtsordnungen auf einen Nenner gebracht werden.

Es sei alles noch unklar, heißt es in den Ministerien. Für Österreich stelle sich etwa die Schwierigkeit, dass Ecuador diverse Standards der International Labour Organization (ILO) angesprochen habe, die von Österreich aber nie ratifiziert worden seien.

"Justizimperialismus"

Komme es aufgrund eines solchen Gesetzes künftig in Österreich zu einer Klage wegen eines Unglücks in einem anderen Land, wie etwa 1984 im indischen Bhopal mit tausenden Toten, sei das "nicht ohne", meinen Verwaltungsjuristen. Gleichzeitig räumen sie das legitime Interesse der Betroffenen an Schutzbestimmungen für Mensch und Umwelt ein.

Nicht nur das: Man befürchtet durch solch verpflichtende Sorgfaltsstandards sogar "Justizimperialismus": Österreichische Rechtsstandards würden anderen, etwa Zulieferfirmen in fernen Ländern, "übergestülpt", was als "kolonialistische Arroganz" empfunden werden könnte.

Aus der Wirtschaftskammer heißt es zum Vorstoß der Kommission, sofern es im internationalen Geschäftsverkehr zu Beschwerdefällen kommt, würden sie sich kaum auf heimische Unternehmen beziehen. "In Hinblick auf die gegenständliche Initiative ist wichtig, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft nicht durch neue bürokratische Lasten sowie unkalkulierbare Haftungsrisiken zu schmälern", warnt die Kammer.

Und Ralph Hofmann, Director Sales & Marketing bei Palmers, sagt: "Wir bekennen uns bereits seit vielen Jahren zu einer vollkommen transparenten und nachvollziehbaren Lieferkette und sehen dies als Teil unserer Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber." Zum aktuellen Vorhaben könne man sich nicht äußern, da die finalen EU-Bestimmungen nicht bekannt seien. (Stefan May, 18.11.2020)