Jolly in der Wiese: Andrea Lüths Aluminiumskulptur in Tirol.
Foto: Andrea Lüth

Licht an, Tür zu: Die Eröffnung von Christoph Hinterhubers Neon-Installation an der Fassade des Innsbrucker Ferdinandeums ist sich im Frühjahr gerade noch ausgegangen, dann mussten die Kunsteinrichtungen erstmals ihre Pforten schließen.

Ein Stück weit hat das Hinterhubers in pinkfarbenen Lettern leuchtenden Schriftzug de-decode de-recode re-decode re-recode auch zum Symbol dafür gemacht, wie die Corona-Krise am gewohnten Verhältnis zwischen Kunst und Publikum rüttelt. Stichwort: Distancing und Ausweichen auf digitale Formate.

de-decode de-recode leuchtet jedenfalls nach wie vor, der im Museum eingerichtete "Dancefloor", auf dem sich der Medienkünstler mit der immensen Produktion und ideologischen Aufladung von Zeichen auseinandersetzt, bleibt wieder verwaist. Wobei man darum bemüht ist, mit Onlineangeboten sichtbar zu bleiben.

Reduziert und ausgedehnt

Analoges Kunsterleben dagegen beschränkt sich, seit nun auch die Galerien wieder schließen mussten, weitgehend auf den öffentlichen Raum. Der hat diesbezüglich zwar einiges zu bieten, allerdings läuft man daran im Alltag häufig achtlos vorbei, ist die Irritation erst einmal der Gewohnheit gewichen. Doch womöglich schärft ja der aktuelle Mangel an Möglichkeiten wieder den Blick – zum Beispiel für Heinz Gappmayrs 0,0000000001 mm, die seit 1997 an einer Hausfassade nahe dem Bregenzer Rathaus herrlich zweideutig mit der Differenz zwischen Gedachtem und Sichtbarem, zwischen totaler Reduktion und ihrer Ausdehnung auf einen zwölf Meter langen Schriftzug spielen.

"de-decode de-recode re-decode re-recode" von Christoph Hinterhuber am Innsbrucker Ferdinandeum.
Foto: TLM

Schräg gegenüber drängt im Übrigen auch das Kunsthaus Bregenz nach draußen, und zwar mit der im Schaufenster des KUB-Cafés gezeigten Videoarbeit Perfect Leader der US-Künstlerin Max Almy, die, wenngleich aus dem Jahr 1983 stammend, auch als Satire auf die aktuellen US-Wahlen funktioniert.

Andere Bezüge zur unmittelbaren Gegenwart, nämlich zur 2020 neu entflammten Debatte über historisch belastete Denkmäler, tun sich vor dem Grazer Universitätsgebäude auf, wo seit 2016 ein Sockel mit den Resten eines Standbildes und einer unkenntlich gemachten Inschrift zu sehen ist. Anna Jermolaewas Monument to a Destroyed Monument entstand als Reflexion unter anderem auf den Sturz von Denkmälern in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion.

Ein Corona-Denkmal

In der Steiermark rief man auch zur künstlerischen Auseinandersetzung mit der Corona-Pandemie in Gestalt eines "Corona-Denkmals" auf, aus einem vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark betreuten Wettbewerb gingen drei Siegerprojekte hervor, was die Entwürfe am Ende über die Pandemie und ihre (gesellschaftlichen) Auswirkungen zu sagen haben, wird sich erst zeigen.

Über das Verhältnis zwischen Kunst und Öffentlichkeit lässt sich freilich auch jenseits von Corona trefflich nachdenken – und zwar nicht nur in Ballungsräumen, die traditionell mehr Zugang zur Kunst bieten. Andrea Lüths auf eine Wiese zwischen Straße, Autowaschanlage und Busstation gelegter Block in der entlegenen Tiroler Gemeinde Fieberbrunn ist etwa ein "friendly alien", der in Form und Farbe ein wenig an ein Eisdessert aus den 1980er-Jahren erinnert, zugleich aber auch Traditionen der Minimal Art aufgreift.

Die Künstlerin spielt in ihren Arbeiten mit der alten Forderung, die Kunst konventionellen Institutionen zu entreißen. In diesem Fall liefert sie auf einer Texttafel auch die ganz profanen Fragen mit, die sich sonst niemand zu stellen traut: "Wo gehört ein Kunstwerk hin? Muss man es kaufen oder gehört es allen? Ist es nur zum Anschauen da oder kann man sich auch draufsetzen? Wer hat das bezahlt?" (Ivona Jelcic, 18.11.2020)