Windkraft wäre noch sauberer als Solarenergie. In Dänemark werden bereits 40 Prozent des Stroms aus dieser Quelle geschöpft. Im Bild ein Windpark in der dänischen Nordsee.

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Die Kernspaltung wird oft als nahezu emissionsfreie Energiequelle ins Spiel gebracht. Laut Weltklimarat (IPCC) produziert Kernenergie 60-mal geringere CO2-Emissionen als Kohle. Außerdem gilt sie statistisch betrachtet als ziemlich sicher.

Eine Terawattstunde Kernenergie, der Jahresverbrauch von 230.000 österreichischen Haushalten, verursacht 0,07 Todesfälle. Aufgrund der Luftverschmutzung fordert die gleiche Menge Energie aus Braunkohle 500-mal so viele Leben. Ist die Atomenergie deshalb eine Alternative – trotz allem? Dazu muss man sich die Zahlen genauer ansehen.

Seit 1956 im englischen Sellafield das erste Kernkraftwerk ans Netz gegangen ist, wurden 443 Reaktoren gebaut, die laut Internationaler Atomenergie-Organisation (IAEA) elf Prozent des weltweiten Elektrizitätsbedarfs decken. Für die Hälfte ihres Bedarfs brauchte die Menschheit daher schon heute mehr als 2000 Reaktoren.

Verzögerungen und Kostenexplosionen

Da der Strombedarf sich bis 2050 voraussichtlich verdoppeln wird, würden bis dahin rund 4000 Reaktoren benötigt, um eine erhebliche Reduktion des CO2-Ausstoßes zu erzielen. Das wären über die nächsten 30 Jahre jeden Monat zehn neue Reaktoren, die politisch durchgesetzt, genehmigt, finanziert, geplant und gebaut werden müssten.

Verzögerungen und Kostenexplosionen sind bei Kernkraftwerken die Regel. Hinkley Point C in Großbritannien etwa hätte vor zwei Jahren ans Netz gehen sollen, wird aber erst frühestens ab 2025 seine 26 Terawattstunden pro Jahr liefern.

Die Kosten sind von den ursprünglich veranschlagten 4,7 Milliarden Euro auf (derzeit) 26,6 Milliarden Euro gestiegen. Allein für Stilllegung und Rückbau gegen Ende des Jahrhunderts sind nochmals zehn Milliarden Euro veranschlagt. Dazu kommt, dass es noch immer keine einzige Endlagerstätte für Atommüll gibt.

Erhebliche Bedenken

Es ist daher ausgeschlossen, dass die Menschheit in den nächsten dreißig Jahren zehnmal so viele Kernreaktoren wie in den letzten 60 Jahren baut. Selbst wenn man die ethischen Bedenken und das Risiko von Reaktorkatastrophen ignoriert, hat Kernenergie keine Zukunft, und ihr Anteil an der Stromproduktion würde sich zwischen fünf und 15 Prozent bewegen.

In Österreich entfallen laut dem zum Klimaschutzministerium gehörenden Umweltbundesamt die Treibhausgasemissionen zu 45 Prozent auf Energie und Industrie, zu 28 Prozent auf den Verkehr und zu je zehn Prozent auf Landwirtschaft und Gebäude. Somit gibt es in allen Bereichen Potenzial für wirksame Maßnahmen, etwa durch Förderung der Elektromobilität und Gebäudesanierung, begleitet von einem Ausbau von Wind- oder Sonnenenergie.

Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme wuchs der globale Photovoltaikmarkt zwischen 2010 und 2018 um jährlich 37 Prozent. Weltweit sind 488 Gigawatt Nennleistung installiert, die rund 600 Terawattstunden pro Jahr erzeugen. Allein 2018 sind 100 Gigawatt Nennleistung ans Netz gegangen.

Ausbaufähig

Obwohl die Kosten in den vergangenen 30 Jahren um 90 Prozent gefallen sind, macht Photovoltaik in Österreich derzeit nur 1,1 Prozent der erneuerbaren Energien aus und ist somit ausbaufähig. Dass das geht, zeigt Deutschland, wo neun Prozent des Strombedarfs von Solarenergie gedeckt werden. So wurde 2011 ein 1,6 Quadratkilometer großer Solarpark in Brandenburg mit 91 Megawatt Nennleistung in zwölf Wochen gebaut.

Der Nutzungsgrad, der zeigt, wie viel von der Nennleistung am Ende übrig bleibt, hängt von der geografischen Breite und vom Klima ab. Ein 580 Megawatt großes Solarwärmekraftwerk im marokkanischen Ouarzazate produziert 1,5 Terawattstunden pro Jahr, was für 345.000 österreichische Haushalte reichen würde und einem Nutzungsgrad von 30 Prozent entspricht.

In Mitteleuropa liegt der Nutzungsgrad von Photovoltaik bei zwölf bis 15 Prozent. Dennoch produziert eine Photovoltaikanlage in unseren Breiten die für ihren Bau benötigte Energie in nur zwei Jahren. Danach liefert sie Strom für weitere 30 Jahre.

Spitzenreiter in Windkraft

Noch sauberer als Solarenergie ist Windenergie, bei der Dänemark mit 40 Prozent des Stroms aus Windturbinen Spitzenreiter ist. Die weltweit installierte Leistung von Windturbinen beträgt etwa 600 Gigawatt und nimmt um zwölf Prozent pro Jahr zu. Wind erzeugt bereits halb so viel Strom wie die Kernenergie und wird sie bis 2027 eingeholt haben.

Der Nutzungsgrad von Offshore-Windkraftwerken liegt bei fast fünfzig Prozent. Strom aus Sonne und Wind ist Schwankungen unterworfen, die ausgeglichen werden müssen. Die Store-Studie der Europäischen Kommission hat ergeben, dass ein europaweites Stromnetz diese Schwankungen teilweise abfangen kann, es aber zusätzlicher lokaler Energiespeicher in Form von Batterien oder Pump- und Wärmespeichern bedarf.

Im gebirgigen Österreich bieten sich Pumpspeicher an. Im flachen Dänemark werden im Sommer große Wasserspeicher mit Sonnenenergie auf 80 bis 90 Grad aufgeheizt, um im Winter mit gespeicherter Energie zu heizen.

Pufferspeicher

Die Batterien von Elektroautos wären gute Pufferspeicher, anfangs in den Autos und danach weitere zehn Jahre als stationäre Speicher. Allerdings nimmt die Elektromobilität nur langsam Fahrt auf. Die meisten der 2020 verkauften Autos werden nach wie vor einen konventionellen Antrieb haben und noch 2030 unterwegs sein.

Oft hört man die Frage, wo denn der zusätzliche Strom für die Elektroautos herkommen solle. Der durchschnittliche österreichische Haushalt besitzt 1,2 Autos und hat einen jährlichen Stromverbrauch von 4400 Kilowattstunden.

Ein Elektroauto mit einer Fahrleistung von 14.000 Kilometern pro Jahr ergäbe einen Zuwachs auf 6800 Kilowattstunden. Da sich dieser Zuwachs über ein bis zwei Jahrzehnte verteilen wird, kann der Ausbau der CO2-armen Energiegewinnung mit dem Umstieg auf die Elektromobilität Schritt halten. (Alexander Rauscher, 18.11.2020)