Von ziemlich sicher bis hochriskant – bei Zertifikaten können Anleger selbst entscheiden, wie groß die Risiken und damit auch die mögliche Falltiefe sein sollen.
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Die anhaltende Nullzinsphase zeigt auch im Corona-Jahr 2020 Wirkung, immer mehr Österreicher wagen sich in die Welt der Finanzmärkte. Schließlich sparen sie in der Corona-Krise deutlich mehr als zuvor, von Fondsgesellschaften bis Onlinebrokern berichten viele Bereiche der Finanzbranche über viel Neugeschäft. Gefragt sind auch sogenannte Investmentzertifikate in jeglicher Form – es gibt sie für alle Anlegertypen, von sicher bis hochriskant.

"Viele Privatpersonen haben die tiefen Kurse ausgenutzt und sind als Selbstentscheider eingestiegen", erklärt Frank Weingarts, Vorstandsvorsitzender des Zertifikate Forums Austria. "Im zweiten Quartal konnten starke Umsätze erzielt werden", sagt er über jene Anleger, die ihre Investments ohne Beratung selbst in die Hand nehmen. Seit dem Sommer sei die Entwicklung jedoch wieder abgeflacht. "Wir werden sehen, ob es während des zweiten Lockdowns zu einem ähnlichen Effekt kommt", ergänzt Weingarts.

Dennoch verzeichnet die Branche heuer keine Sonderkonjunktur, denn das Beratungsgeschäft kam im März und April fast zum Erliegen. Während des ersten Lockdowns seien zwar Bankfilialen geöffnet gewesen, es haben aber keine persönlichen Beratungsgespräche stattgefunden. Wer Bedarf an einem Anlageberater hatte, konnte sich mit diesem nur per Video austauschen – wovor viele zurückgeschreckt seien. "Das hat dazu geführt, dass eine Delle hereinkam", sagt Weingarts über das Beratungsgeschäft.

Aus der Deckung

Wobei sich auch die sonst so sicherheitsbedürftigen Österreicher sukzessive etwas weiter aus der Deckung wagen. "Man sieht einen Schwenk weg von Kapitalschutz hin zu Produkten mit niedrigem Risiko", sagt Weingarts. Vor wenigen Jahren seien hierzulande noch mehr als 90 Prozent der Produkte mit einem zumindest teilweisen Kapitalschutz ausgestattet gewesen, derzeit seien es nicht einmal mehr 60 Prozent. Auch dahinter steckt die Nullzinsphase, denn ohne Zinsen sind solche Garantien schwerer umzusetzen und werden meist nur bei langläufigen Produkten eingesetzt.

Weingarts weist darauf hin, dass Zertifikate mit niedrigem Risiko weniger volatil, also riskant, seien als Direktinvestments in jene Börsenindizes oder Einzelaktien, auf deren Wertentwicklung die Produkte basieren. "Unter Privatanlegern gibt es Selbstentscheider, die ihr Depot rund um Zertifikate aufbauen und diversifizieren", sagt Weingarts. Im Beratungsgeschäft spielten Zertifikate zunehmend als Beimischung zu Investmentfonds eine Rolle. "Das wird immer wichtiger."

Trend zu Nachhaltigkeit

Bei den Anlegern sind Weingarts zufolge während der Corona-Krise zwei deutliche Trends auszumachen: Stark nachgefragt werden Produkte aus dem Bereichen Gesundheit und – wovon etwa auch Fondsanbieter zuletzt berichteten – Nachhaltigkeit.

Als "Nebenschauplatz" bezeichnet Weingarts die äußerst risikoreichen Hebelprodukte, deren Wert wesentlich stärker schwankt als der der zugrunde liegenden Aktie des Index – also gewissermaßen einem Rodeoritt gleicht. "Die spielen beim Gesamtvolumen nur eine geringe Rolle", sagt Weingarts, "um die zwei Prozent."

Steigende Volumina

Insgesamt befindet sich der Bereich der Investmentzertifikate langfristig im Aufwind, zwischen Ende 2016 und September 2020 ist der Gesamtwert aller aktiven Zertifikate um 42 Prozent auf 14,5 Milliarden Euro gestiegen. Heuer erwartet Weingarts aufgrund der zeitweisen Flaute im Beratungsgeschäft jedoch nur eine stabile Entwicklung.

Zu beachten sind bei Zertifikaten stets auch die Spesen, die bei Zertifikaten in der Regel nur einmalig anfallen und stark variieren können. Zudem ist die 27,5-prozentige Wertpapier-KESt auf Ausschüttungen und Kursgewinne zu entrichten. (Alexander Hahn, 17.11.2020)