Die chinesische Rakete Langer Marsch 5 ist am Montagabend abgehoben.

Foto: imago images/Xinhua/Guo Cheng

China hat am Montagabend (MEZ) ein Raumschiff zum Mond gestartet, das Material von dort zur Erde bringen soll. Gelingt das ehrgeizige Vorhaben, wäre es der erste Transport von Mondgestein seit mehr als vier Jahrzehnten, und zwar aus einer relativen jungen Region, von der es noch überhaupt keine Proben gibt. Die Rakete vom Typ Langer Marsch 5 hob am Dienstag in der Früh Ortszeit (Montagabend MEZ) mit der Sonde Chang'e 5 vom Raumfahrtbahnhof in Wenchang auf der südchinesischen Insel Hainan ab.

Eineinhalb Stunden später faltete Chang'e 5 seine Sonnensegel für die Stromversorgung aus. Wenig später verkündete der Kommandant des Kontrollzentrums, Zhang Xueyu, den "vollen Erfolg des Starts von Chang'e 5". Der Wissenschaftsdirektor der US-Raumfahrtbehörde Nasa, Thomas Zurbuchen, gratulierte China zum erfolgreichen Start. "Der Mond ist ein aufregender Ort!", schrieb Zurbuchen auf Twitter. "Wir freuen uns darauf zu sehen, wie das Einholen der Proben die internationale Wissenschaftsgemeinschaft voranbringen wird."

Die nach der chinesischen Mondgöttin benannte Sonde soll voraussichtlich am Sonntag einen Lander auf die Mondoberfläche bringen, der dann Gestein einsammelt und Bohrproben entnimmt. Bei einer erfolgreichen Rückkehr wäre China nach den USA und der Sowjetunion in den 60er und 70er Jahren erst die dritte Raumfahrtnation, der eine solche Mission gelingt. Das Raumschiff soll in dem nach dem deutschen Astronomen Karl Rümker (1788-1862) genannten Vulkangebiet landen. Es liegt im Oceanus Procellarum, dem "Ozean der Stürme", im oberen, linken Teil der erdzugewandten Seite des Mondes.

Esa unterstützt chinesische Mission

Die Europäische Weltraumorganisation Esa unterstützt die Chang'e-5-Mission, indem sie Signale des Raumfahrzeugs mit ihrem Bodenstationsnetz weiterleitet. Das Estrack-Netzwerk der Esa ist ein globales System von Bodenstationen, die die Kommunikation zwischen Raumfahrzeugen und dem ESOC-Missionskontrollzentrum der Esa in Darmstadt ermöglicht. Für die chinesische Mission wird die Esa Stationen in Französisch-Guayana und Spanien nutzen.

Komplizierte Mission

Die Mission gilt als eine der aufwendigsten, die Chinas Raumfahrt jemals unternommen hat: Erstmals würde eine chinesische Aufstiegsstufe wieder vom Mond starten, die Gesteinsproben mitnehmen und ein Docking-Manöver im Orbit des Erdtrabanten vornehmen, bevor die Rückkehrkapsel zur Erde zurückfliegt.

Das 8.200 Kilogramm schwere Raumschiff besteht aus vier Modulen: Dem Orbiter mit der Rückkehrkapsel sowie dem Lander mit der Aufstiegsstufe. Nach dem Aufsetzen auf der Mondoberfläche soll das Landegerät mit einem langen Arm rund zwei Kilogramm Mondgestein und auch Proben aus Bohrungen bis zu zwei Meter Tiefe zusammentragen und in einer Kammer verstauen.

Die vier Module der Chang'e-5-Mission.
Illustr.: Regnart

Begehrtes Material aus der jüngeren Mondgeschichte

Nach dem Aufstieg und dem Docking-Manöver mit dem Orbiter sollen die Gesteinsproben in die Kapsel verladen werden, die dann zur Erde zurückkehrt. Das Raumschiff soll am 16. oder 17. Dezember im Siziwang Banner in der Inneren Mongolei landen. Wissenschafter warten gespannt auf die Proben, denn bisher wurde noch kein Gestein aus der jüngeren Mondgeschichte zu Untersuchungen zur Erde gebracht.

Der Oceanus Procellarum ist nur 1,2 Milliarden Jahre alt. Mondgestein, das die USA und die Sowjetunion eingesammelt hatten, ist hingegen mit 3,1 und 4,4 Millionen Jahren deutlich älter. Die größte Mondebene erhielt ihren Namen von der früheren Annahme, dass ihr Erscheinen mit dem abnehmenden Halbmond stürmisches Wetter bedeute.

China will Früchte der Mission teilen

Wie der Pei Zhaoyu, der Vizedirektor des chinesischen Mondprogramms mitteilte, will China bei einem Erfolg der Mission das mitgebrachte Material international zugänglich machen. "Chinesische Wissenschafter und Forscher aus anderen Ländern werden die Möglichkeit haben, die Mondproben von Chang'e-5 zu untersuchen", sagte Pei Zhaoyu laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua.

Die Esa unterstützt die chinesische Mission mit ihrem Netz aus Bodenstationen.
Illustr.: Esa

Forscher erhoffen sich von den Proben wichtige neue Erkenntnisse über die vulkanische Aktivität und die Geschichte des Mondes. Die Apollo-Missionen der USA hatten rund 380 Kilogramm Mondgestein mitgebracht. Die Sowjetunion sammelte insgesamt 300 Gramm ein – zuletzt mit der unbemannten Luna 24-Mission 1976, als rund 170 Gramm Mondstaub zur Erde gebracht wurden.

Neue Schwerlastrakete

Der chinesische Mondflug erfolgt 51 Jahre nach der ersten bemannten Mondlandung der USA am 21. Juli 1969, bei der Neil Armstrong und Edwin "Buzz" Aldrin als erste Menschen die Oberfläche des Erdtrabanten betraten. Die USA haben sechs Mal Astronauten auf den Mond gebracht – zuletzt mit Apollo 17 im Dezember 1972.

Es ist erst der zweite reguläre Flug der mehr als 800 Tonnen schweren chinesischen Rakete Langer Marsch 5, nachdem ein solcher Typ im Juli die Marssonde Tianwen-1 auf den Weg gebracht hatte. Anfangs gab es Probleme mit dem Triebwerk der neuen Schwerlastrakete, die zu einer Verschiebung der Mondmission um drei Jahre geführt hatten.

Vorbereitung auf bemannte Missionen

Chang'e 5 soll beim Sonnenaufgang auf dem Mond landen und einen Mondtag – zwei Wochen auf der Erde – bleiben. So muss das Raumschiff nicht mit besonderen Heizgeräten ausgestattet sein, um die extrem kalten Temperaturen der Mondnacht aushalten. Die Komplexität des dreiwöchigen Fluges gilt auch als Vorbereitung auf mögliche bemannte Mondlandungen in der Zukunft.

China verfolgt ein ehrgeiziges Raumfahrtprogramm mit Missionen zum Mond und Mars sowie dem Aufbau einer eigenen Raumstation. Im Jänner 2019 landete China als erste Raumfahrtnation mit Chang'e 4 auf der relativ unerforschten erdabgewandten Seite des Mondes. Es wurde ein Rover ausgesetzt, der weiter die Oberfläche erforscht. (red, APA, 24.11.2020)