Es ist zum Fremdschämen, wie die Grünen derzeit mit der Situation umgehen, dass sie nach zehn Jahren nicht mehr Teil der Wiener Stadtregierung sein werden. Siegessicher betonten sie im Wahlkampf unisono, dass die Fortsetzung von Rot-Grün die einzige mögliche Option sei. Dass Bürgermeister Michael Ludwig mit den Neos gemeinsame Sache machen könnte, haben die Grünen einfach ignoriert.

Nach der Wahl bekommen sie jetzt aber die Rechnung präsentiert. Natürlich ist es bitter, dass Ludwig den Neos den Vorzug gibt. Die Grünen hatten viel vor, wollten gestalten, aber deswegen darf man nicht alle Prinzipien über Bord werfen. Leider tun die Grünen das. Sie setzen sogar das Herzstück der grünen Partei aufs Spiel – die Basisdemokratie, auf die die Partei immer so stolz war. An sie erinnerten sich jene Mitglieder des grünen Rathausklubs aber wohl nicht, als sie am Montag, genau an dem Tag, an dem SPÖ und Neos ihren Pakt verkündeten, die Vizebürgermeisterin und Nummer eins der Grünen nicht für Spitzenfunktionen im Rathaus berücksichtigten. Birgit Hebein kandidierte sowohl als Klubchefin als auch als nichtamtsführende Stadträtin, den Vorzug bekamen aber andere. Unter ihnen just die beiden Männer, die auch das Erbe von Hebeins Vorgängerin Maria Vassilakou antreten wollten – ihr in einem internen Vorwahlprozess aber unterlagen.

Birgit Hebein nimmt die Niederlage sportlich.
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Die Partei war damals stolz auf diesen Prozess, und sie bekam viel Beachtung dafür. Wochenlang hatten Mitglieder Zeit, sich in Stellung zu bringen. Die Kandidaten der Spitzenwahl führten Miniwahlkämpfe – wie sich das in einer Demokratie eben gehört. Schließlich entschied Hebein das Rennen für sich. Anders als im Klub, wo nur 16 Personen stimmberechtigt waren, wurde Hebein hier von einer breiten Basis von mehr als 2000 Menschen auserkoren, die Grünen in den nächsten Wahlkampf zu führen.

Das Ergebnis auf dem Papier zeigt auch, dass die breit getroffene Entscheidung gut war: Mit 14,8 Prozent schnitten die Grünen besser als jemals zuvor bei einer Wien-Wahl ab.

Weitreichende Folgen

Keine zwei Jahre ist Hebeins Wahl zur grünen Nummer eins übrigens her. Sie schart viele Anhänger um sich, die sich nun zu recht enttäuscht von den Entscheidungen im Klub zeigen. Erste Unterstützer haben ihre Mitgliedschaft bereits zurückgelegt.

Hebein nimmt die Niederlage sportlich und erklärt sie damit, dass sie sich auf ihre Regierungsfunktion und weniger auf "klubinterne Dynamiken" konzentriert habe.

Intrigen im Rathaus? Der Verdacht liegt nahe, wenn man das Geschehen beobachtet. Hebein hätte sich jedenfalls einen würdigeren Abschied als Vizebürgermeisterin verdient.

Aber es geht nicht nur darum. Die Folgen sind noch viel weitreichender. Wie soll eine Partei, die dermaßen unerwachsen im politischen Machtspiel agiert, jemals wieder geeint um Stimmen buhlen? Hebein hat auch im Klub noch Verbündete. Es besteht die Gefahr, dass Gräben weiter aufreißen und es sogar zu einer Spaltung der Partei kommt.

Dass die Wege bei den Grünen auseinandergehen können, zeigte das Beispiel der Liste Pilz. Die Abspaltung liegt noch gar nicht so lange zurück. Gebracht hat sie letztendlich aber niemandem etwas. Also lieber zurück zu den eigenen Prinzipien finden, bevor noch mehr Schaden angerichtet wird. (Rosa Winkler-Hermaden, 17.11.2020)