Es mutet wie ein Fehlersuchbild an: Die Fotos vor...

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... und nach der Klubsitzung der Grünen. Hebein fehlt danach.

Foto: APA / Grüne Wien

Die Ähnlichkeit der beiden Fotos ist frappant. Das erste haben die Wiener Grünen Mitte Oktober veröffentlicht, das zweite folgte nach der Klubsitzung der Landespartei am Montagnachmittag. Vier Personen findet man auf beiden Fotos. Der Ort der Fotos deckt sich – auch wenn die Winkel der Aufnahmen im Arkadenhof des Rathauses ein wenig voneinander abweichen. Manche der abgelichteten Personen tragen sogar das gleiche Outfit, andere sind nur marginal anders gekleidet.

Der kleine, aber feine Unterschied der beiden Bilder schlägt allerdings nun große Wellen bei den Grünen: Die derzeitige Vizebürgermeisterin und grüne Parteichefin in der Hauptstadt, Birgit Hebein, wurde ausgetauscht – und zwar durch Vizeklubchefin Jennifer Kickert. "Wir präsentieren: unser neues Zukunftsteam", schrieben die Grünen zur Veröffentlichung dazu.

Das erste Foto wurde am 15. Oktober aufgenommen. An diesem Tag signalisierte das grüne Spitzenteam rund um Hebein noch Einigkeit. Klubchef David Ellensohn, die Listendritte und Quereinsteigerin Judith Pühringer sowie der Listenzweite und Planungssprecher Peter Kraus stellten sich demonstrativ hinter die Parteichefin.

Hebein abgewählt

Nur wenige Wochen später ist davon nichts mehr zu spüren. Hebein wurde von den 16 Gemeinderäten ihrer Partei abmontiert. Wie DER STANDARD berichtete, kandidierte Hebein in der internen Sitzung sowohl für den Posten als Klubchefin als auch für einen der beiden nicht amtsführenden Stadtratsposten. In keine dieser drei Funktionen wurde sie gewählt: Bei der Wahl zur nicht-amtsführenden Stadträtin zog sie gegen Kraus mit 3:13 den Kürzeren, die weiteren zwei Wahlniederlagen fielen ähnlich deutlich aus. Damit hat Hebein bei der Oppositionspartei keine gestaltende Führungsposition mehr. Der im Amt bestätigte Klubvorsitzende Ellensohn sowie Kraus und Pühringer teilen sich die Jobs.

Seither regt sich aufgrund der Demontage der Parteichefin zum Teil massives Unverständnis bei den Grünen. Hebein fuhr als Spitzenkandidatin mit 14,8 Prozent das bisher beste grüne Wiener Ergebnis ein. Zur Listenersten und Parteichefin wurde sie Ende 2018 in einem aufwendigen Prozess von der grünen Basis gewählt.

Die Nachfolge von Maria Vassilakou wurde im vierten Wahldurchgang entschieden: Hier setzte sich Hebein mit 1244 Stimmen gegen ihren Kontrahenten Kraus (1138) durch, insgesamt wurden 2527 Stimmen abgegeben. Dass die Stimme der Basis nun kein Gewicht mehr haben soll, irritiert im besten Fall.

Grüne Gemeinderätin spricht von "politisch falscher" Entscheidung

Öffentlich am deutlichsten wurde die künftige Gemeinderätin Viktoria Spielmann. Sie nehme das Ergebnis der internen Abstimmung zur Kenntnis, halte es allerdings für "politisch falsch". Spielmann, die sich klar für Hebein positionierte, wolle gegen Entscheidungen kämpfen, "die durch die Hintertür gegen den Willen der Basis getroffen werden". Zudem setze sie sich dagegen ein, dass Frauen von Männern "zu deren Gunsten entmachtet werden". Die Zuschreibung kann in diesem Fall nur auf die Parteifreunde Ellensohn oder Kraus zutreffen.

Der Ex-Landesprecher der Grünen, Joachim Kovacs, schrieb auf Twitter: An Tagen wie diesen sei er "nochmal mehr froh", nichts mehr mit grüner Politik zu tun zu haben. Denn seine Entscheidungen seien immer davon getragen worden, wie und wo Politik gemacht wird. Er beendete seinen Tweet mit: "Intrigantenstadl bleibt Intrigantenstadl."

Hebein entscheidet über ihre Zukunft

Wie es mit Hebein weitergeht, ist noch offen. Als Parteivorsitzende ist sie bis Ende 2021 gewählt. Zudem hat sie ein Gemeinderatsmandat für die kommende Legislaturperiode fix. Ob sie nach ihrer Demontage diese Ämter auch tatsächlich weiterführen wird, hat sie noch nicht entschieden. "Über meine grüne Zukunft werde ich mich in den kommenden Tagen parteiintern beraten", schrieb sie auf Facebook.

Grüne Landesversammlung findet am Samstag statt

Am Freitag tagt der grüne Parteirat, der die Entscheidungen des Klubs zu den nicht amtsführenden Stadträten absegnen muss. Das gilt als Formalakt. Mehr Ärger könnte dem neuen grünen "Zukunftsteam" am Samstag drohen: Da tagt die Landesversammlung, das höchste politische Gremium der Wiener Grünen. Hier wird sich zeigen, wie sehr die Basis die grünen Personalentscheidungen mitträgt. (Oona Kroisleitner, David Krutzler, 17.11.2020)