Justizministerin Alma Zadić (li.) und Europaministerin Karoline Edtstadler verkündeten am Mittwoch Änderungen am Gesetz, das bereits 2021 in Kraft treten soll.

Foto: APA/BKA/ANDY WENZEL

Die Bundesregierung hat im Ministerrat am Mittwoch Anpassungen beim Gesetzespaket gegen Hass im Netz beschlossen. Die Maßnahmen waren zuvor in Begutachtung gegangen.

Das Kommunikationsplattformen-Gesetz, das Teil der neuen Regeln ist, verpflichtet Plattformbetreiber, die nutzergenerierte Inhalte erlauben, zu Meldesystemen, sofern sie mehr als 100.000 Nutzer oder einen Umsatz von mehr als 500.000 Euro haben. Als Reaktion auf Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren wurde es überarbeitet, sagte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) beim Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Demnach werden künftig nicht gewinnorientierte Plattformen vom Anwendungsbereich ausgenommen. Explizit nennt die Regierung Enzyklopädien, Handels- und Bildungsplattformen. Aber auch Videosharing-Plattformen wie Youtube müssen sich bei ihren Videos nicht an die neuen Regeln halten. Der Grund: Die Audiovisuelle-Mediendienste-Richtlinie regle hier den Umgang mit illegalen Inhalten. Das gilt allerdings nur für Videoinhalte, nicht aber beispielsweise für Kommentare.

Online-Plattformen, die von dem Gesetz betroffen sind, müssen innerhalb von 24 Stunden nach einer Meldung rechtswidrige Beiträge entfernen, in strittigen Fällen haben sie bis zu sieben Tage Zeit. Außerdem müssen sie einen Zustellbevollmächtigten in Österreich ernennen. Systematische Verstöße werden von der Regulierungsbehörde Komm Austria geahndet. Diese muss jährlich eine Liste vorlegen, in der alle Unternehmen, die von den neuen Regeln betroffen sind, genannt werden müssen.

Notifizierungsverfahren läuft

Zuvor hatte es Kritik gegeben, dass gerade kleine Plattformen sich die Einhaltung der Vorgaben nicht leisten könnten. Zudem warnte die Opposition vor der Gefahr des Overblockings, also der Sperre eigentlich legaler Inhalte aus Angst vor möglichen Strafen.

Die Regierung musste die EU-Kommission bei diesem Teil des Gesetzes benachrichtigen, da strengere Regeln geplant sind als im Herkunftsland der betroffenen Unternehmen. Daher sind Auswirkungen auf den freien Verkehr von Dienstleistungen zu erwarten. Die Kommission selbst ist seit Monaten mit einem EU-weiten Gesetz für eine solche Plattformregulierung beschäftigt. "Das Problem ist ein akutes, und deswegen besteht jetzt Handlungsbedarf", begründet Edtstadler das Vorgehen der Regierung. Das Notifizierungsverfahren läuft noch bis zum 2. Dezember.

Ausnahmen für Access-Provider

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) kündigte ebenso Anpassungen zu dem Begutachtungsentwurf an. Das Ministerium hatte zuvor mehrere zivil- und strafrechtliche Änderungen angekündigt, darunter etwa Schnellverfahren, um rascher gegen Hasspostings vorzugehen.

So habe es zuvor Bedenken gegeben, dass Unterlassungsansprüche wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten auch an Internet-Access-Provider gerichtet sein könnten. Das hätte wiederum zu Netzsperren führen können. "Wir haben das sehr ernst genommen und klargestellt, dass die Access-Provider ausgenommen sind, und ausgeschlossen, dass es zu Netzsperren kommen könnte", sagt Zadić. Zudem seien Ausnahmen für wissenschaftliche Zwecke beschlossen worden, um beispielsweise die historische Forschung zu NS-Opfern und -Tätern nicht einzuschränken.

Auch die Strafdrohung für sogenanntes Upskirting, also das ungewollte Fotografieren beispielsweise des Ausschnitts oder unter dem Rock, wurde angepasst. Das Erstellen eines Fotos werde nun mit bis zu sechs Monaten Haft geahndet, die Verbreitung mit einem Jahr.

Reaktionen

Die Neos ist "gespannt", wie die Regierung die Ankündigungen konkret eingearbeitet hat, sagt Digitalisierungssprecher Douglas Hoyos. "Noch ist unklar, ob unsere Vorbehalte ausgeräumt wurden. Etrwa, bei der Frage der Treffsicherheit was große Plattformen angeht oder die Höhe der Strafen. Hier ist die Gefahr groß, dass das Gesetz am Ende nicht wirksam ist, bzw. die falschen trifft". SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim bedauert, dass der Strafrahmen bei "Upskirting" heruntergesetzt wurde. Das Herabsetzen der Strafe sei eine "Relativierung" und "völlig unangebracht".

SPÖ-Netzpolitiksprecherin Katharina Kucharowits verweist darauf, dass die Gefahr für sogenanntes Overblocking, also der Entfernung eigentlich legaler Inhalte, weiterhin bestehen bleibt. Außerdem würden große Konzerne wie Facebook künftig entscheiden, was im Netz gesagt werden kann.

Der Providerverband ISPA, zu deren Mitgliedern auch beispielsweise Facebook und die Mobilfunker "3" und Magenta gehören, begrüßt einige der Anpassungen, kritisiert aber, dass in den Erläuterungen des Gesetzes die Rede davon ist, dass Access-Provider "vorerst" keine Unterlassungsansprüche befolgen müssten – Stichwort Netzsperren –, "zumindest bis Regelungen getroffen werden", die Zugangssperren im Einklang mit den Regeln für Netzneutralität eingeführt wurden.

"Sie sagen nicht, dass niemand vorhätte eine Mauer zu bauen, sondern nur, dass das 'vorerst' nicht vorgesehen ist", kritisiert Generalsekretär Maximilian Schubert. Dem schließt sich auch die Grundrechts-NGO Epicenter Works an. Sie kritisiert außerdem, dass der Kreis der betroffenen Plattformen beim Gesetz für Plattforverantwortlichkeit zwar kleiner geworden sei, doch "mit diesen neuen Hürden wird es wohl kaum neue soziale Netzwerke geben, die es schaffen, in Österreich groß zu werden". (Muzayen Al-Youssef, 18.11.2020)