Die Kette Humanic hat am Samstag mit großen Rabatten gelockt – und sich schließlich für die Aktion entschuldigt.

Foto: Christian Fischer

Am Samstag vor dem zweiten Lockdown in Österreich fanden sich zahllose Bilder von Menschenschlangen vor Geschäften in sozialen wie auch klassischen Medien. In ersteren waren dazu viele Kommentare und Emojis zu sehen, die Kopfschütteln, Verwunderung bis handfesten Ärger über die "Shoppingwütigen" ausdrückten. "Völlig irre", dieser "Shoppingwahnsinn"! Und die Leute, die sich da in die Schlangen stellen? Einfach nur verantwortungslos. Aber so einfach ist es nicht.

Wir leben in einer Konsumgesellschaft, in der knallvolle Einkaufsstraßen, die saisonal noch knallvoller werden, zur standardisierten Darstellung einer funktionierenden Wirtschaft, eines florierenden Konsums gehören, des Glücks im Shoppingcenter. Auch die Regierung legt nicht viel Wert darauf, Gedränge zu verhindern, wenn es um das Weihnachtsgeschäft geht. Denn man muss sich schon fragen, warum ausgerechnet an einem Fenstertag vor dem traditionell für Geschäfte geöffneten Feiertag am 8. Dezember der Lockdown beendet wird. Da wird es am 7. und 8. Dezember ordentlich eng werden in den Einkaufsstraßen, Shoppingmalls und Geschäften – und das soll es auch. Man macht auch keinen großen Hehl daraus, wie wichtig es sei, das Weihnachtsgeschäft zu retten. Ohne dicht gedrängte Menschenmengen wird das kaum gehen.

Verantwortungslose Angebote

Wir werden angehalten zu konsumieren. Ständig. Und wenn es sich mit dem Monatslohn nicht ausgeht, gibt es viele Angebote von Unternehmen zu Ratenzahlungen oder von Banken zu Kleinkrediten. Verantwortungslose Angebote, wie Schuldnerberatungen oft betonen, denn solche Angebote sind oft der erste Schritt in die Verschuldung. Der Konsum-Imperativ wurde also ziemlich erfolgreich in uns allen verankert – egal ob man es sich leisten kann oder nicht.

Doch die Art und Weise, wie wir konsumieren, ist sehr unterschiedlich. Und das ist der zweite Grund, warum wir mit Urteilen vorsichtig sein sollten. Es gibt die, die auf Rabatte pfeifen können, die es sich leisten können, nicht auf Preise schauen zu müssen. Es ist ein Luxus, wenn man nicht auf den Winterschlussverkauf warten muss, sondern die Winterschuhe für die Kinder dann kaufen kann, wenn man sie braucht. Das ist angenehmer. Es ist weniger los in den Shops, und man hat noch eine größere Auswahl. Andere gehen dann Schuhe kaufen, wenn sie am billigsten sind. Wasserfeste, warme Kinderschuhe kosten in vielen Geschäften gleich mal 80 Euro. Und nächstes Jahr brauchen sie – um beim Beispiel Kinderschuhe zu bleiben – sehr oft wieder ein neues Paar, weil die vom Vorjahr schon nicht mehr passen. Das kann in Summe teuer werden. Zu teuer.

Nicht nur rücksichtslose Shopping-Experience

Sicher, es gibt auch viele, denen eine Schnäppchenjagd einfach Spaß macht, die nicht darauf angewiesen wären, sich just während einer Pandemie lange in eine Menschenschlage zu stellen. Trotzdem ist ein herablassender Gestus insbesondere von privilegierten Menschen mit Schuhen zum vollen Preis unangebracht. Denn in vielen dieser Schlangen stehen auch jene, die einfach nur billige Schuhe brauchen. Es geht ihnen nicht um eine rücksichtslose Shopping-Experience. Richten wir uns nicht gegen sie, sondern fordern stattdessen eine Politik, die dafür sorgt, dass derlei Aktionen in diesen Zeiten nicht zugelassen werden und dass weniger Menschen rennen müssen, wenn es in dicken Lettern heißt: "Rabatte!" (Beate Hausbichler, 19.11.2020)