Die Wiener ÖVP muss sich mit internen Problemen herumschlagen.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Damit hat wohl niemand gerechnet: Laut Berichten der Tageszeitungen "Presse" und "Kurier" muss die Wiener ÖVP ihr internes Vorzugsstimmensystem über den Haufen werfen, weil sich eine Politikerin weigert, auf ihr Mandat zu verzichten. Sie wird nun aus der Partei ausgeschlossen, wie ein Sprecher der APA am Mittwoch bestätigte. Zwei Kandidaten, die aufgrund ihrer hohen Zahl an Vorzugsstimmen den Sprung ins Rathaus geschafft hätten, können nun nicht einziehen.

"Fairnessabkommen" ignoriert

Die ÖVP hat parallel zu den gesetzlichen Regeln ein eigenes Vorzugsstimmensystem etabliert, das Kandidaten eine Vorreihung sichern soll, wenn sie viele Nennungen erhalten. Die Hürden für eine Vorreihung sind dabei niedriger als die gesetzlichen Vorgaben. Damit sollen Kandidaten motiviert werden, für Stimmen zu laufen.

Damit ein Kandidat, der die ÖVP-intern vorgegebene Zahl an Vorzugsstimmen erreicht, aber sein Mandat auch tatsächlich erhält, müssen die Kandidaten vor ihm auf der Liste auf ihren Sitz im Gemeinderat verzichten. Dafür gab es ein "Fairnessabkommen", das alle unterzeichnen mussten. Und an dieses hält sich nun eine Kandidatin nicht.

Antonia Heiml kandidierte auf dem eigentlich aussichtslosen Platz 24 auf der Landesliste. Dem "Fairnessabkommen" hat sie laut ÖVP noch zugestimmt, doch nach der Wahl als Einzige keine Verzichtserklärung in der Partei abgegeben. Vielmehr scheint die junge Frau seit einigen Wochen wie vom Erdboden verschluckt zu sein, wie der Sprecher der APA erzählte. "Sie ist für die Partei nicht erreichbar. Zigfache telefonische und elektronische Versuche der Kontaktaufnahme seit vier Wochen, mehrfache Besuche bei ihr zu Hause." Sogar mit dem Vater habe man Kontakt aufgenommen. "Der Vater sagt, sie müsse sich aufs Studium konzentrieren – daher ist auch keine Vermisstenanzeige von unserer Seite möglich", so der Sprecher.

Notbremse: Internes Vorzugsstimmensystem ausgesetzt

Zu Schaden kommen zwei erfolgreiche Wahlkämpfer: Jan Ledochowski (mit 1.758 Vorzugsstimmen) und Suha Dejmek-Khalil (mit 1.168 Vorzugsstimmen), die von den Plätzen 33 und 270 auf der Landesliste den Sprung ins Rathaus geschafft hätten. Damit die beiden ihre Mandate erhalten, hätten jene vor ihnen auf der Liste auf den Platz im Gemeinderat verzichten müssen. Das hätten laut den Medienberichten auch alle getan – bis auf Heiml. Was zu der paradoxen Situation führte, dass ausgerechnet ihr ein Sitz im Gemeinderat zugestanden wäre. In der Präsidiumssitzung am Dienstagabend hat die Partei die Notbremse gezogen und ihr internes Vorzugsstimmensystem ausgesetzt.

Heiml vor Parteiausschluss

Die Konsequenz daraus: Ledochowski und Dejmek-Khalil, beides Kandidaten aus dem christlichen Lager, erhalten kein Mandat. Die Sitze gehen an Sabine Schwarz und Markus Grießler. Sie rücken entsprechend der Reihenfolge auf der Landesliste nach. Heiml, sie ist übrigens dem Vernehmen nach den Freikirchen zuzuordnen, wird nun aus der Partei ausgeschlossen.

"Ich bin sehr enttäuscht vom Verhalten von Frau Heiml. Dieser Wortbruch ist für mich menschlich nicht nachvollziehbar", sagte Ledochowski. Er hat nach Landesparteiobmann Gernot Blümel bei den Türkisen am 11. Oktober die zweitmeisten Vorzugsstimmen erhalten. Aber er kündigte am Mittwoch auch an: "Die Parteiführung rund um Gernot Blümel steht hinter mir, und es wird alles getan, dass die 1.758 Vorzugsstimmen nicht vergeblich gegeben wurden." Eine Lösung gibt es bereits: Ledochowski übernimmt ab sofort die Funktion als Bereichssprecher für Christdemokratie und Zielgruppenbetreuung. "Somit unterstütze ich den ÖVP-Landtagsklub. Die ÖVP Wien gibt damit ein klares Bekenntnis zu christlichen Gruppen ab." (APA, 18.11.2020)