Personen in unterdurchschnittlich entlohnten Berufen können häufig nicht auf Homeoffice ausweichen und sind dem Virus stärker ausgesetzt.

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Fast zehn Monate ist es her, seit die erste Covid-19-Ansteckung in Österreich bekannt wurde, und während auf die Datenerfassung nicht in jeder Hinsicht Verlass ist, sind immerhin die bestätigten Fälle in den 94 Bezirken gut dokumentiert.

Deutliche Differenzen ergeben sich schon, wenn man die Summe aller Infektionen in den Bezirken mit ihrer jeweiligen Einwohnerzahl abgleicht. Dieser sogenannte Inzidenzwert lag zuletzt in Gänserndorf, dem seit Pandemiebeginn am glimpflichsten davongekommenen Bezirk, bei rund 1.781 Fällen je 100.000 Einwohner. Am anderen Ende steht Schwaz mit einer Inzidenz von 7.574, weit mehr als dem Vierfachen Gänserndorfs.

Rangkorrelationskoeffizient

Wie genau es zu solchen regionalen Unterschieden kommen kann, lässt sich an einzelnen Ursachen wohl nicht festmachen. Stellt man der Corona-Belastung aber diverse strukturelle Kennzahlen gegenüber, so ergeben sich manch auffällige Parallelen zwischen den mehr und den weniger hart getroffenen Bezirken – auch wenn diese Faktoren nicht unmittelbar an der Höhe der Fallzahlen schuld sein müssen.

Um derartige Beziehungen zu erfassen, haben wir sechs soziodemografische Merkmale ermittelt und durch eine Berechnungsmethode geschickt, die Statistiker mit dem Wortungetüm Rangkorrelationskoeffizient bezeichnen (siehe Infobox am Ende des Artikels). Herausgekommen sind Werte zwischen 0 und 1, wobei 0 für eine völlig zufällige Wechselbeziehung zwischen Corona-Inzidenz und jeweiligem Kennwert steht und 1 für den größtmöglichen Zusammenhang.

I. Die Bevölkerungsdichte

Seit Beginn der Corona-Krise hat man beide Vorurteile genügend gehört: Auf dem Land munkelte man, die Städter bringen das Virus aus den Sündenpfuhlen in die heile Welt. In der Stadt hieß es, das unbelehrbare Landvolk verhält sich beim Dorfwirt nicht anders als vor Corona – bloß eben versteckt im Hinterzimmer. Die Bezirkszahlen suggerieren aber so gut wie keinen Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdichte und Infektionsgeschehen. Beispielhaft zeigt das der Blick auf Wien, die am dichtesten besiedelte Stadt, und Murau, den am dünnsten besiedelten Bezirk: Beide liegen nah an der gesamtösterreichischen Corona-Inzidenz. Der Korrelationskoeffizient beträgt nur minus

II. Der Ausländeranteil

Die drei Bezirke mit den höchsten Fallzahlen je 100.000 Einwohner haben Ausländeranteile von 14 Prozent (Schwaz), fünf Prozent (Rohrbach) und acht Prozent (Tamsweg). Ganz ähnlich nimmt sich die Situation in den drei Bezirken mit den geringsten Fallzahlen je 100.00 Einwohner aus: Sie haben Anteile nichtösterreichischer Staatsbürger von zwölf Prozent (Gänserndorf), fünf Prozent (Horn) und sieben Prozent (Mistelbach). Auch in allen anderen Bezirken zeichnet sich kein eindeutiges Bild ab. In manchen Regionen mit hohem Ausländeranteil halten sich die Infektionen in Grenzen, und in manchen mit geringer Quote mehren sie sich – oft aber auch umgekehrt. Es ergibt sich so eine mäßige Korrelation von

III. Das Alter

Recht bald nach Ausbruch der Pandemie hat sich herausgestellt, dass die Sterblichkeitsrate bei an Covid-19 erkrankten Personen in der älteren Bevölkerungsgruppe exorbitant hoch ausfällt. Auf das Infektionsgeschehen hat ein höheres Alter aber nur bedingt Einfluss. Zwar stecken sich die über 85-Jährigen überproportional häufig an, die 65- bis 84-Jährigen hingegen liegen unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Zieht man den Anteil aller über 65-Jährigen in den Bezirken heran und vergleicht ihn mit den Corona-Fällen, so kommt eine Korrelation von 0,103 heraus. Gemessen am gesamten Durchschnittsalter ist sie ebenfalls nicht signifikant hoch und erreicht einen Wert von

IV. Der Akademikeranteil

Eine Korrelation in der Größenordnung, wie sie sich beim Anteil der nichtösterreichischen Staatsbürger und beim Durchschnittsalter beobachten lässt, ergibt auch die Gegenüberstellung der Covid-19-Fallzahlen in den Bezirken mit dem jeweiligen Akademikeranteil. Hier ist der Zusammenhang aber umgekehrt: Wenn der Anteil der Personen mit Universitäts-, Fachhochschul- oder vergleichbarem Abschluss über dem österreichweiten Durchschnitt liegt, steht auf der anderen Seite öfter eine Corona-Inzidenz unter dem Bundesmittel. Der Korrelationskoeffizient mit dem Anteil formal höher gebildeter Menschen ist aber ebenfalls noch nicht als signifikant zu bezeichnen und beträgt

V. Die Parteipräferenz

Neun der zehn Bezirke mit den geringsten Covid-19-Raten dominierte bei der Bundespräsidentenwahl 2016 der Wahlverlierer Norbert Hofer (FPÖ). Unter den am schwersten erfassten Bezirken sind umgekehrt viele, die damals der Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen für sich entscheiden konnte. Ein ähnliches Ergebnis bringt ein Vergleich mit der letztjährigen Nationalratswahl. Bezirke mit hohem FPÖ-Anteil sind bisher relativ gut durch die Pandemie gekommen, noch besser nur SPÖ-Hochburgen. Tendenziell höhere Corona-Inzidenzen lassen sich hingegen in Bezirken nachweisen, in denen die Grünen ihre höchsten Wähleranteile einfahren konnten – mit einer Korrelation von zuletzt

VI. Das Einkommen

Personen in Haushalten mit höheren Einkommen haben gemeinhin mehr Wohnraum oder gar -sitze zur Verfügung und gehen eher Homeoffice-Jobs nach. Vielleicht sind das neben Ernährungs- und Gesundheitsverhalten Gründe, warum Bezirke mit höherem Durchschnittsverdienst geringere Fallzahlen aufweisen. Dass die Ansteckungsraten in sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen größer sind, haben bereits Studien in den USA, Großbritannien und Deutschland ergeben. Auch in unserer Übersicht ist der Lohnzettel der Faktor mit dem stärksten Zusammenhang. Aus den Durchschnittseinkommen in den österreichischen Bezirken errechnet sich eine Korrelation von minus

Wie eingangs erwähnt sind diese Korrelationen nicht unbedingt Kausalitäten. Es lässt sich sagen: Wo die Einkommen niedrig sind, sind die Fallzahlen hoch. Das heißt aber nicht automatisch: Weil die Einkommen niedrig sind, sind die Fallzahlen hoch. Auch eine Parteipräferenz muss keine Ursache für hohe Corona-Zahlen sein. Womöglich lässt sich dieses Phänomen aus anderen Faktoren herleiten: Die Grünen sind stark in Bezirken mit hohen Gehältern und Ausländeranteil, und diese Merkmale sorgen zusammen für eine gesteigerte Korrelation.

Theoretisch könnte es auch sein, dass Grün-Wähler eher bereit sind, sich testen zu lassen – und höhere Testraten führen tendenziell zu mehr entdeckten Infektionen. Laut Umfragen ist der Wille zum Test bei Grün-Wählern tatsächlich am größten und bei SPÖ- und FPÖ-Wählern am geringsten.

Nähern könnte man sich dieser These über die Testquote. Wenn "grüne" Bezirke hohe und "blaue" Bezirke niedrige Pro-Kopf-Raten bei den durchgeführten Tests haben, würde das die Annahme erhärten. Allerdings stellen weder Ministerium noch Ages oder die Mehrheit der Länder die Zahl der Tests auf Bezirksebene zur Verfügung. Lediglich Tirol weist sie im Dashboard aus. Dort lässt sich die Vermutung nicht festigen: Gerade in den Bezirken mit hohem Anteil an Grün-Wählern wurde bisher vergleichsweise wenig getestet. (Michael Matzenberger, 17.12.2020)