Die Suche nach unzulässig verwendeten Fotos im Internet ist ein wachsender Geschäftszweig, der so manchem Fotografen gerade in der Corona-Krise zu einem zusätzlichen Einkommen verhilft.

Illustration: Marie Jecel

Disruptive Technologie ist für Berufsfotografen nicht nur ein Schreckgespenst der Zukunft, sondern gegenwärtige Realität: Vor wenigen Jahrzehnten waren noch ein ausgebildetes Auge und eine Materialschlacht notwendig, um hochwertige Fotos herstellen zu können.

Heute machen es hochwertige Handykameras und vorinstallierte Filter nahezu jedem Hobbyfotografen möglich, Hochglanzprospekt-Fotos zu machen. Digitale Fotos können auch ohne Qualitätsverlust unendlich oft – zumindest digital – vervielfältigt werden. Und Bildersuchmaschinen im Internet begünstigen die – oft ungefragte und unentgeltliche – Übernahme von publizierten Fotos.

Das alles nagt an der wirtschaftlichen Existenz der Fotografen. Und dass Corona-bedingt nun Fotoshootings nicht oder nur unter größtem Aufwand stattfinden können, hilft ihnen natürlich auch nicht.

Neue Einnahmequelle

Bricht ein Geschäftsfeld weg, liegt es auch für Fotografen nahe, sich andere Einnahmequellen zu suchen. Die Möglichkeit, das Internet auf unberechtigte Fotovervielfältigungen automatisiert abzusuchen, hat dem Foto-Urheberrecht zu neuer praktischer Relevanz verholfen. Hintergrund dafür ist, dass künstlerische Fotos als Werke, aber auch jegliches Foto als Lichtbild urhebergesetzlich geschützt sind.

Daher dürfen Fotos ohne Gestattung des Fotografen nicht verwertet werden. Da es aber einerseits so einfach ist, Fotos im Internet abzurufen und in den eigenen Web- bzw. Social-Media-Auftritt zu integrieren, und es andererseits nach wie vor vielen Usern an Urheberrechtsbewusstsein fehlt, schnappt immer öfter die Foto-Urheberrechtsfalle zu.

Verletzung ist unbestritten

In- und ausländische Rechtsanwaltskanzleien haben sich auf das Auffinden und Verfolgen von unzulässigen Fotovervielfältigungen spezialisiert. Zwar hält das Urheberrecht einige freie Werknutzungen bereit, doch die können bei eigenen Web- bzw. Social-Media-Auftritten mit fremden Fotos nicht herangezogen werden.

Die Urheberrechtswidrigkeit der Fotonutzung kann daher meist von den Verwendern nicht stichhaltig bestritten werden. Worüber aber am meisten gestritten wird, sind die Ansprüche, welche die Fotografen bzw. deren Vertreter geltend machen.

Das rührt daher, dass das Urheberrechtsgesetz den Rechteinhabern weitgehende Ansprüche, insbesondere auf Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung, Rechnungslegung, Auskunft und – wirtschaftlich wohl am relevantesten – auf Entgelt bzw. Schadenersatz zugesteht. Um rasch Abhilfe zu schaffen, gewährt das Gesetz Rechteinhabern auch die erleichterte und ebenso erweiterte Möglichkeit, einstweilige Verfügungen zu beantragen.

Angemessenes Entgelt

Doch was ist im Fall der unberechtigten Fotonutzung zu zahlen? Das Gesetz normiert, dass derjenige, der das Foto ohne Gestattung verwertet, auch dann, wenn ihn kein Verschulden trifft, dem Fotografen ein angemessenes Entgelt zu zahlen hat. Trifft den Verletzer hingegen ein Verschulden, kann der Fotograf umfassenden Schadenersatz verlangen, insbesondere das Doppelte des angemessenen Entgelts.

Um die Frage der Höhe des "angemessenen Entgelts" drehen sich schon jahrzehntelang Rechtsstreitigkeiten. Um dem Fotografenstand die Rechtsdurchsetzung diesbezüglich leichter zu machen, hat die Bundesinnung der Berufsfotografen einen Honorarrechner (rsv-fotografen.at/rechner/) erstellt, aus dem sich das angemessene Entgelt ergeben soll. Diese Tariflösung ist für alle Beteiligten praktisch, weil sich daraus recht einfach und schnell ein Geldbetrag ermitteln lässt.

Was ist angemessen?

Doch handelt es ich dabei wirklich um das "angemessene Entgelt", welches das Urheberrechtsgesetz normiert?

Der Oberste Gerichtshof hat dazu unlängst in einer Entscheidung die folgende Ansicht der Untergerichte gebilligt (OGH 29.1.2019, 4 Ob 196/18d): Für die Beurteilung und Feststellung des gemeinen (allgemeinen) Werts der Leistung des Fotografen reichen die Feststellungen auf Basis der unverbindlichen Honorarempfehlung der Bundesinnung der Berufsfotografen nicht aus; alleine aus diesen aus der Sphäre der Berufsvertretung des Fotografen stammenden Empfehlungen, ist nämlich der konkrete Verkaufswert oder Marktpreis der konkreten Nutzungsrechte nicht abzuleiten. Daraus folgt, dass in jedem Streitfall das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden müsste.

Risiko für beide Seiten

Zweifellos können Sachverständigengutachten im Einzelfall sachgerechtere Ergebnisse sicherstellen als ein einfacher Tarifrechner. Aber sollte diesem Ansatz allumfassend gefolgt werden, führte dies die Fotografen auch hinsichtlich ihrer Rechtsdurchsetzung in eine weitere Krise, weil sie dann das Risiko bzw. die Kosten von Sachverständigengutachten im Einzelfall auch noch in Kauf nehmen müssten.

Und auch für die mutmaßlichen Urheberrechtsverletzer brächte das ein weiteres Risiko, weil sie noch weniger abschätzen können, ob die Ansprüche der Rechteinhaber der Höhe nach berechtigt sind. (Max Mosing, 19.11.2020)