Seit zwölf Jahren stellt mit Sabine Hanger nun wieder die Aktionsgemeinschaft den Vorsitz der Bundes-ÖH. Eine Frau gab es an der Spitze der ÖVP-nahen Fraktion bislang noch nie.

Foto: Andy Urban

Das Aus der linken Koalition der Österreichischen Hochschülerschaft machte Sabine Hanger zur ÖH-Chefin. Doch im 55-köpfigen Studierendenparlament hat ihre Aktionsgemeinschaft (AG) keine Mehrheit.

STANDARD: Sie übernehmen die ÖH während der Corona-Pandemie. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie jetzt?

Hanger: Es braucht eine stabile Interessenvertretung. Die Digitalisierung ist aufgrund der Distanzlehre ein großes Thema. Mir persönlich ist die mentale Gesundheit der Studierenden ein Anliegen. Viele sind durch die Pandemie zusätzlich belastet.

STANDARD: Die AG möchte, dass österreichische Hochschulen "flächendeckend digitalisierungsfit" werden. Wie soll das gehen?

Hanger: Wir wollen im didaktischen Bereich und bei der Infrastruktur ansetzen. Dazu muss die digitale Lehre durch Anreizmodelle attraktiver werden. Das können etwa Preise für eine besonders gute Umsetzung sein. Anerkennung kann motivieren.

STANDARD: Die AG gilt als ÖVP-nahe Fraktion. Stimmen Sie mit Wissenschaftsminister Heinz Faßmann immer überein?

Hanger: Wir haben sehr klare Positionen fernab der hochschulpolitischen Agenden des Bundesministers. Aber wir haben eine konstruktive Basis und achten darauf, zielgerichtet in Verhandlungen zu gehen.

STANDARD: Was fordern Sie von Faßmann im Hinblick auf das Corona-Management an den Unis?

Hanger: Ich finde es gut, dass die Hochschulen das selbst regeln. Oft führt das aber zu Verwirrung unter Studierenden, weil unterschiedliche Regelungen an verschiedenen Standorten gelten. Das Ministerium kann da nicht viel ändern. Da braucht es die lokalen Hochschulvertretungen.

STANDARD: Ein Antrag des KSV-Lili, der den Rücktritt von Faßmann gefordert hat, erhielt in der ÖH-Bundesvertretung eine Mehrheit. Wieso hat die AG gegen den Rücktritt gestimmt?

Hanger: Das hat nichts mit dessen Inhalt zu tun. Sondern: Wir unterstützen nicht, dass Fraktionen keine Verantwortung innerhalb des Gremiums übernehmen, aber lauthals bei Symbolanträgen mitschreien, obwohl es drängendere Probleme für die Studierenden gibt.

STANDARD: Eine Novelle des Universitätsgesetzes (UG) soll bald in die parlamentarische Begutachtung gehen. In den sozialen Medien wird die AG dafür kritisiert, sich nicht klar zu positionieren. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Hanger: Wir haben zu vielen Themen im UG eine klare Position. Als ÖH haben wir ein großes Positionspapier dazu veröffentlicht. Uns ist wichtig, in Verhandlungen zu treten. Es ist unklar, was die verpflichtende Prüfungsaktivität für berufstätige Studierende und die Harmonisierung der ECTS bedeutet.

Für ÖH-Vorsitzende Sabine Hanger von der Aktionsgemeinschaft endet die ÖH-Politik da, "wo sich die Interessen der Studierenden nicht von jenen der Allgemeinbevölkerung unterscheiden".

STANDARD: 2019 trat die AG bei der ÖH-Wahl für die Abschaffung des allgemeinpolitischen Mandats ein. Stehen Sie für eine ÖH, die keine Gesellschaftspolitik betreibt?

Hanger: Für uns endet die ÖH-Politik da, wo sich die Interessen der Studierenden nicht von den Interessen der Allgemeinbevölkerung unterscheiden.

STANDARD: Die AG postet auf Instagram gegen Hass im Netz. Sie teilten eine persönliche Erfahrung unter dem Hashtag #StopSendingDickPics. Beide Themen gehen weit über Hochschulpolitik hinaus ...

Hanger: Die Initiative für Frauen ist mir ein Anliegen. Aber beim allgemeinpolitischen Mandat geht es der AG um Studierendengelder, die teils für extreme Positionen fernab von Studierendeninteressen ausgegeben werden. Wie zum Beispiel allgemeinpolitische Demos.

STANDARD: Zu Hass im Netz haben Sie sich mit Europaministerin Karoline Edtstadler unterhalten. Danach postete sie, dass die ÖH wieder in bürgerlichen Händen sei. Verstehen Sie sich als bürgerlich?

Hanger: Meine Werte kommen eher aus dem Bürgerlichen, da habe ich persönlich ein Näheverhältnis. Ich hätte mich selbst aber nicht als bürgerlich betitelt.

STANDARD: Auf Instagram nutzt die AG den Hashtag #NeustartÖH. Wieso braucht es diesen?

Hanger: Die ÖH hat sich während der vergangenen Jahre zu viel mit sich selbst beschäftigt, und es ist Zeit, dass wir wieder die Interessen der Studierenden in den Vordergrund stellen.

STANDARD: Sie koalieren mit den Junos, haben im Studierendenparlament aber keine Mehrheit. Wie soll so der Neustart gelingen?

Hanger: Aktuell sind alle Fraktionen in der ÖH vertreten. Unser Arbeitsübereinkommen mit den Junos sah vor, dass wir ihre Kandidatin für das Vorsitzteam unterstützen. Als stattdessen eine VSStÖ-Kollegin gewählt wurde, wurde das Übereinkommen aber obsolet.

STANDARD: Was wollen Sie bis zur Wahl 2021 umgesetzt haben?

Hanger: Studierende sollen wieder eine starke Vertretung haben. Sofern es die Pandemie und die kurze Amtszeit zulassen, will ich das Studierendenticket vorantreiben. (Allegra Mercedes Pirker, 19.11.2020)