Die Bundesregierung will ihre Maßnahmen rasch umsetzen.

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Die Regierung will es schnell angehen. Schon mit Anfang des kommenden Jahres sollen die neuen Regeln gegen Hass im Netz gelten, im Ministerrat wurden am Mittwoch finale Anpassungen beschlossen. Türkis-Grün hat sich dabei eine Reihe an Maßnahmen überlegt, zentral ist eine Löschpflicht für Internetplattformen und Änderungen in der Verfolgung von Hassbeiträgen: In Zukunft müssen Onlineplattformen, die mehr als 500.000 Euro Umsatz im Jahr vorweisen oder mehr als 100.000 Nutzer zählen, innerhalb von 24 Stunden nach einer Meldung rechtswidrige Postings entfernen.

In fraglichen Fällen haben sie sieben Tage Zeit, um den jeweiligen Inhalt zu überprüfen. Systematische Verstöße werden von der Regulierungsbehörde Komm Austria bestraft. Ausnahmen gibt es für nicht gewinnorientierte Plattformen, Enzyklopädien, Handels- und Bildungsplattformen – und Zeitungsforen. Auch gelten die Regeln nicht für Videos auf Videoplattformen wie zum Beispiel Youtube, da hier die Richtlinie für Audiovisuelle Mediendienste der EU greift, die ein strenges Herkunftslandprinzip, aber ebenso die Entfernung von rechtswidrigen Inhalten vorsieht.

EU arbeitet bereits an Maßnahmen

Für diesen Teil des Pakets, das Kommunikationsplattformen-Gesetz, das im türkisen Bundeskanzleramt formuliert wurde, musste die Regierung die EU-Kommission notifizieren. EU-Mitglieder müssen sie nämlich vorab informieren, sofern bei einer (technischen) Vorschrift strengere Regeln vorgesehen sind als im Herkunfsland der betroffenen Unternehmen, da das einen Einfluss auf den freien Verkehr von Dienstleistungen haben könnte. Die Kommission hat drei Monate Zeit, um zu reagieren, das Verfahren läuft noch bis zum 2. Dezember.

Parallel zu dem Vorhaben der Bundesregierung arbeitet die EU-Kommission seit Monaten an dem Digital Services Act – dem bisher, so zumindest der Plan, größten Regulierungsbestreben für das Internet in der Union. Dabei ist auch geplant, Hassbeiträge und Falschinformationen im Netz zu behandeln.

Unattraktiver Standort Österreich

Österreichs Vorstoß wird von der türkis-grünen Koalition damit begründet, dass man nicht so lange warten wolle, da die Problematik eine imminente sei. Doch die EU will ein länderübergreifendes Gesetz schaffen, um solche nationalen Alleingänge in Zukunft zu vermindern: Je mehr derartige Gesetze es innerhalb Europas gibt, desto mehr Anpassungen müssen Unternehmen, die in dem Wirtschaftsraum agieren wollen, tätigen – das macht die EU zu einem unattraktiveren Standort.

Dazu kommen Kritikpunkte, die bereits bei zuvor umgesetzten Maßnahmen in anderen Ländern, beispielsweise dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), immer wieder angesprochen wurden und in dem Gesetz nicht thematisiert werden: nämlich die Gefahr von sogenanntem Overblocking, also der Sperre von Inhalten, die eigentlich legal sind – aber aus Angst vor Strafen trotzdem blockiert werden. Die Komm Austria prüft zwar, ob sich Firmen allgemein an die Vorgaben halten und Beiträge zeitnah prüfen, aber nicht, ob die Entscheidungen richtig getroffen wurden.

Auch legen Unternehmen – und nicht Gerichte – in erster Instanz die Auslegung von geltendem Recht fest, sofern Nutzer nicht zusätzlich zu dem Meldeverfahren juristisch vorgehen. Außerdem schafft Österreich damit vor allem kleineren Unternehmen, die sich am besonders zentralisierten Markt für soziale Medien gegen die großen IT-Konzerne behaupten wollen, eine weitere Hürde.

Vorerst keine Netzsperren ...

Ein weiterer zentraler Punkt des Maßnahmenpakets sind zivilrechtliche Eilverfahren, über die Betroffene derartige Beiträge schneller ahnden können, indem sie einen Antrag auf Unterlassung erwirken. Auf diese Weise könnte innerhalb von kurzer Zeit die Entfernung durch den Täter oder die Plattform forciert werden. Weiters wird sogenanntes "Upskirting", also die ungewollte Erstellung intimer Fotos, beispielsweise unter dem Rock, unter Strafe gestellt, wobei auf Kritik eingegangen und der Strafrahmen nun gesenkt wurde: Das Erstellen eines Fotos werde nun mit bis zu sechs Monaten Haft geahndet, die Verbreitung mit einem Jahr.

Die Befürchtung, dass Unterlassungsansprüche wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten auch an Access-Provider gerichtet werden können, schließt das Justizministerium mit einer Anpassung des Entwurfs aus: Internetprovider werden explizit ausgenommen. Zuvor hatte das Gesetz aufgrund der Möglichkeit, derartige Ansprüche an "Vermittler" zu richten – zu denen nach einem EuGH-Urteil auch Access-Provider gehören –, Netzsperren ermöglicht.

... aber explizit nicht ausgeschlossen

Aber gänzlich ausgeschlossen bleiben diese nicht, denn in den Erläuterungen zu dem Gesetz schreibt das Justizministerium, dass Access-Provider ausgenommen sind – "zumindest bis Regelungen getroffen werden, Zugangssperren zu bestimmten Websites mit der Netzneutralität in Einklang zu bringen". Daher wolle man "vorerst" vor einer solchen Regelung Abstand nehmen. Die Formulierung steht im Widerspruch zu bisherigen Aussagen von Justizministerin Alma Zadić, die nach scharfer Kritik mehrfach betont hat, dass Netzsperren nicht intendiert seien.

Das heißt, das Netzsperren aufgrund von Hassbeiträgen in Zukunft nicht ausgeschlossen sind. Aktuell sorg die Netzneutralitätsverordnung dafür, dass ein solches Vorgehen nicht umgesetzt wurde: Diese sieht vor, dass alle Daten im Netz gleich behandelt werden müssen. In ihrer Stellungnahme zu dem Gesetz, bevor ein expliziter (vorläufiger) Ausschluss als Folge der Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren genannt wurde, wies auch die RTR darauf hin, dass eine Webseitensperrung eine "komplizierte Grundrechteabwägung" erfordere. Einerseits soll zwar Hass im Netz ein Riegel vorgeschoben werden – andererseits sind Netzsperren eine fragliche Methode, da sie in die Informations- und Meinungsäußerungsfreiheit eingreifen – und leicht umgangen werden können, beispielsweise mithilfe von VPN-Diensten. (Muzayen Al-Youssef, 19.11.2020)