Die Truppenreduktionen in Afghanistan und im Irak, die der nolens volens scheidende US-Präsident Donald Trump nun anordnet, stehen im Einklang mit dem, was er im Nahen und Mittleren Osten stets vorhatte und auch ankündigte: die "boys" – es sind auch viele Frauen darunter – heimzubringen. Nach fast 7000 toten und mehr als 50.000 verwundeten US-Soldaten in den mittlerweile 19 Jahren in Afghanistan und fast 17 im Irak entspricht er damit durchaus einem breiten populären Wunsch in den USA.

Der scheidende US-Präsident Donald Trump.
Foto: AFP/MANDEL NGAN

Es wäre jedoch nicht Donald Trump, wenn er nicht gleichzeitig danach trachten würde, Scherben zu hinterlassen. Er stellt mit seiner Entscheidung seinen Nachfolger, Joe Biden, vor Tatsachen: Eine geordnete, abgestimmte Übergabe wird es also auch bei dieser Thematik nicht geben. Im Irak handelt es sich um eine eher symbolische Reduktion, die der Regierung von Mustafa al-Kadhimi sogar politisch zupasskommen könnte – auch wenn der Jubel der Iran-freundlichen Milizen darüber ärgerlich und gefährlich ist, der sich Dienstagnacht als Raketenbeschuss der ehemaligen Grünen Zone in Bagdad äußerte und den Tod eines Kindes verursachte. Noch einmal ganz anders stehen jedoch die Dinge in Afghanistan. Dort ist die Veränderung des Truppenstands einschneidend und könnte schwerwiegende Folgen für das Land haben.

Vor neun Monaten schloss die US-Regierung mit den afghanischen Taliban – die sie im Herbst/Winter 2001 gestürzt hatten – einen umstrittenen Deal: Die USA würden sich aus Afghanistan zurückziehen, wenn sich die Taliban in Verhandlungen mit der afghanischen Regierung auf eine Machtteilung einigen und dafür sorgen, dass transnationale jihadistische Gruppen wie Al-Kaida und der "Islamische Staat" draußen gehalten werden. Zuletzt liefen diese Verhandlungen schlecht, und die von den Taliban ausgehende Gewalt stieg wieder an.

Damit beantwortet sich die Frage, wer der Profiteur der US-Truppenreduktion auf ein bisheriges Minimum von 2500 sein wird. Die Taliban wissen nun, dass die USA abziehen, ganz gleich, ob es eine ernsthafte Machtteilung der unterschiedlichen politischen, religiösen und ethnischen Kräfte in Afghanistan geben wird. Vielleicht ist das ja ohnehin der Lauf der Geschichte. Aber dass ein US-Präsident aus einer narzisstischen Kränkung heraus das einer Gruppe wie den Taliban auf die Nase bindet, ist wieder eine andere Geschichte. (Gudrun Harrer, 18.11.2020)