Ist wahrscheinlich auch schon gespannt, was die Razzia gegen die angeblichen Muslimbrüder in Österreich zutage fördert: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

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Nach dem Terroranschlag eines jungen Jihadisten in Wien überschlugen sich die Ereignisse. Zuerst schloss die Regierung gemeinsam mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) zwei Moscheen, in denen der Attentäter ein und aus ging. Nur wenige Tage später folgte eine schon länger geplante Razzia gegen ein angebliches Netzwerk von Muslimbrüdern und Hamas – offenbar teilweise auch mit martialischem Wohnungssturm durch die Behörden. Der größte Bargeldfund: rund 100.000 Euro. In Untersuchungshaft kam niemand.

Nun stellt sich die Frage, ob die beiden Aktionen mehr waren als ein bloßes Punktesammeln für Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der nach Ermittlungspannen seiner Behörden rund um den Attentäter gehörig unter Druck steht.

An der Schließung der Tewhid-Moschee in Wien-Meidling hegt die IGGÖ schon Zweifel. Sie streut, dass sie sich von Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) dazu gezwungen gesehen habe, der für ihre salafistischen Umtriebe bekannten Moschee die rechtliche Grundlage zu entziehen. Raab argumentierte mit Gefahr im Verzug, weil sich der Attentäter laut Verfassungsschutz in jener Moschee radikalisiert habe. Das ist der IGGÖ aber zu unkonkret. Die Auflösung der Moschee sei damit rechtlich angreifbar – sie brachte bereits Beschwerde ein. Das könnte zum Bumerang werden.

Auch bei der Razzia gibt es unter Experten die Befürchtung, dass am Ende zu wenig herausschaut. Möglicherweise war sie auch zu brachial. Zumindest konnte man beim Führungskader der angeblichen Muslimbrüder in Österreich im Vorfeld nur recht grobe Verdachtsmomente anführen, wie die Dokumente zur Hausdurchsuchung zeigen. Ob da am Ende strafrechtlich etwas hängen bleibt, ist derzeit noch nicht abzusehen. Vieles davon stützt sich offenbar auf einen anonymen Hinweisgeber und auf Telefonüberwachung.

Im besten Fall zeigt sich, dass Österreich ein Problem mit islamistischen Muslimbruder-Umtrieben hat, um dagegen vorzugehen. Im schlimmsten Fall war die Razzia Gift für die Arbeit des Staates, die öffentliche Debatte und nicht zuletzt eine aus Sicht von Kritikern amtlich beglaubigte Aktion eines vermeintlichen staatlichen Rassismus, was Islamisten dienlich ist. Wer die ÖVP kennt, der weiß, dass sie schon längst damit angeben würde, wenn die Razzia ein großer Erfolg gewesen wäre. Nehammer und die zuständige Staatsanwaltschaft Graz müssen hoffen, dass ihnen das nicht um die Ohren fliegt. Die Folgen wären fatal. (Jan Michael Marchart, 20.11.2020)