In der öffentlichen Beurteilung der wirtschaftlichen Corona-Hilfsmaßnahmen unserer Bundesregierung findet derzeit ein Paradigmenwechsel statt. Galt bislang der Befund "es ist eine Schande, wie viele Hilfsbedürftige so gut wie nix bekommen", so hört man jetzt immer öfter "es ist eine noch viel größere Schande, wie viele Nichthilfsbedürftige obszön viel bekommen".

Den diesbezüglichen Höhepunkt stellt zweifelsohne der großzügige Umsatzersatz für Glücksspielautomatenlokale dar, die allein im November mit rund 20 Millionen Euro von uns Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern beschenkt werden. Der von ÖVP, FPÖ und SPÖ für die Politik verifizierte Satz aus dem Ibiza-Video "Novomatic zahlt an alle" kann nun also von uns ergänzt werden: Novomatic zahlen wir alle.

Angesichts der gigantischen Schäden, die Automatenspielsucht seit jeher der Volkswirtschaft zufügt, ist das nichts wirklich Neues, aber immerhin dürfen wir uns jetzt auch als freigiebige Sponsoren der Schnittstelle zwischen Halb- und Unterwelt bezeichnen.

Logischer nächster Schritt wäre eine Verdienstentgangsentschädigung für Drogenhändler (schließlich gehört Drogenbeschaffung nicht zu den behördlich anerkannten Ausnahmegründen bei der Ausgangsbeschränkung) und Einbrecher (denen wiederum durch die Ausgangsbeschränkungen das ungestörte Ausüben ihres Berufs verunmöglicht wird).

Geringschätzung

Das mag aufs Erste übertrieben erscheinen, aber es wäre nicht undenkbar, zumal heimische Bundesregierungen in Fragen der Gerechtigkeit bei Förderungen schon seit längerer Zeit Verhaltensoriginalität an den Tag legen. Als Beleg dafür kann eine in der Vorwoche veröffentlichte Studie gelten, für die erstmals ausgerechnet wurde, wie viel die Regierung mittels Inseraten pro Zeitungsleser ausgegeben hat. So waren ihr im Jahr 2018 Leser des käuflichen Gratisblatts "Österreich" pro Kopf 5,15 Euro wert, während sie für STANDARD-Leser nur 89 Cent übrig hatte.

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen mit dieser Geringschätzung geht, aber ich finde, wir hätten uns wenigstens ein dieses Missverhältnis erklärendes Regierungsinserat verdient. Zum Beispiel:

"Liebe STANDARD-Leserinnen und -Leser! Seit einigen Jahren – und da hat einst schon der diesbezügliche Pionier Werner Faymann viel Vorarbeit geleistet – behaupten wir Regierenden, dass wir so viel in Boulevard-Medien inserieren müssen, weil wir dadurch Preis-Leistungs-mäßig die meisten Leser erreichen. Das war und ist natürlich eine dreiste Lüge. Am meisten Inserate bekommen die, die am nettesten über uns schreiben. Weil Ihr das natürlich von Anfang an durchschaut habt, wollten wir auch die Glaubwürdigkeit des STANDARD nicht durch mehr Inserate desavouieren, da Ihr sonst hättet glauben können, er würde nun zu einem weiteren Regierungs-Verlautbarungsorgan mutieren. Also kränkt Euch nicht und tröstet Euch lieber mit folgender Überlegung: Sinn eines Regierungsinserates ist es, Menschen über etwas zu informieren, von dem man glaubt, dass sie es nicht wissen. Das heißt: Wir halten die Leser der Fellner-Medien für fast sechsmal so deppert wie Euch. Und da müssen wir dann auch an die Zielgruppe unserer Politik denken." (Florian Scheuba, 19.11.2020)