Um das Weihnachtsgeschäft zu retten, will die Wirtschaftskammer nach dem Lockdown die Sonntagsöffnung und längere Öffnungszeiten.

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Wien – Der Corona-bedingte Ladenschluss bringt ein uraltes Streitthema aufs Tapet: die Ladenöffnungszeiten. Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer forderte am Donnerstag für die Zeit nach dem Lockdown längere Öffnungszeiten und das Aufsperren für den Handel auch am Sonntag. Einerseits solle damit der Umsatz in der Vorweihnachtszeit noch angekurbelt werden, andererseits gehe es auch "um das Entzerren der Kundenströme", sagte Mahrer im Ö3-"Frühjournal" des ORF-Radios.

Die Sozialpartner auf Arbeitnehmerseite reagierten irritiert bis ablehnend. Von einer beispiellosen Entgleisung sprachen Christgewerkschafter (FCG) in der Arbeiterkammer. "Das Coronavirus und den Lockdown als Hintertür zum arbeitsrechtlichen Raubbau zu missbrauchen halte ich für schändlich!", polterte der FCG-Fraktionsvorsitzende in der Arbeiterkammer, Fritz Pöltl, via Aussendung. Einen "unlauteren Versuch, auf dem Rücken der Handelsangestellten brutale Gewinnmaximierung zu betreiben", nannte es der Wiener FCG-Vorsitzende Thomas Rasch. Zahlreiche Studien würden belegen, dass Sonntagsöffnung zu keiner Umsatzsteigerung führte.

Sonntagszuschlag

So dezidiert würden das die Händlervertreter der Sparte Handel in den Landeswirtschaftskammern natürlich nie sagen. Dort wird Mahrers Vorschlag nicht uneingeschränkt gutgeheißen. Vor allem kleine Händler sehen die Aktion mit Verweis auf die hundertprozentigen Zuschläge für Sonntagarbeit überaus kritisch, sagte der Salzburger Kammerpräsident Peter Buchmüller, selbst Händler.

Der Lebensmittelhandel pfeife ohnehin aus dem letzten Loch und habe enorme Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden, sagt ein anderer Händler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. "Meinen Angestellten möchte ich Sonntagsarbeit nicht zumuten." Ein Kammerfunktionär aus der Steiermark setzt nach: Zu einer Entzerrung der Besucherströme würde das mitnichten führen, glaubt er. Profitieren würden in erster Linie Einkaufszentren, die dann wieder gestürmt würden, was in der Pandemiebekämpfung kaum dienlich sei.

Eine von mehreren Möglichkeiten

Überzeugt scheint auch der Obmann der Bundessparte Handel, Rainer Trefelik, nicht zu sein: "Die Öffnung an den zwei Sonntagen vor Weihnachten ist einer von mehreren Vorschlägen", teilt er nach einer Telefonkonferenz der Handelsobmänner der Landeskammern am Donnerstagvormittag via Aussendung mit. Eine Verlängerung der Öffnungszeiten sei ebenso in Überlegung wie Personenleitsysteme, um den Mindestabstand zu wahren. Es brauche pragmatische Lösungen, damit die Österreicher einkaufen können, ohne sich anstellen zu müssen. Oberstes Ziel sei die Entzerrung der Kundenströme. Im Hinblick auf eine mögliche Sonntagsöffnung vor Weihnachten sei klar, dass es "sozialpartnerschaftliche Gespräche braucht, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen", sagte Trefelik. Beschäftigte, die am Sonntag arbeiten, sollten danach frei haben, so der WKÖ-Handelsobmann.

Sonntagsarbeit nur freiwillig?

Es könnten an den zwei Adventsonntagen beispielsweise jene Mitarbeiter Dienst machen, die während des Lockdowns nicht gearbeitet haben. Die Lager der Händler seien voll, die Ware für das Weihnachtsgeschäft bestellt, gibt Trefelik zu bedenken, der in der Abwanderung zum Onlinehandel eine ernsthafte Gefahr für viele Arbeitsplätze im stationären Handel sieht.

Der Handelsverband sieht eine temporäre Sonntagsöffnung grundsätzlich positiv, allerdings nur unter der Bedingung, dass ausschließlich jene Angestellten Dienst machen, die sich freiwillig melden. Große Umsatzsprünge seien generell nicht garantiert, eher Verschiebungen. Auch seien die Personalkosten im Handel wochentags nach 18.30 Uhr, am Samstag ab 13 Uhr und am Sonntag aufgrund von Zuschlägen um ein Vielfaches höher, gibt die freiwillige Interessenvertretung der Händler zu bedenken.

Regional global

Ob Mahrers Appell, beim Onlineshopping "regional-digital" vorzugehen, also auf österreichischen Shoppingportalen einzukaufen, etwas bewirkt, darf bezweifelt werden. "Wichtig ist jetzt, dass die Umsätze in Österreich bleiben."

Gewerkschaft empört

Die Privatangestelltengewerkschaft ist empört über Mahrers Ruf nach Sonntagsöffnung und längeren Öffnungszeiten in der Vorweihnachtszeit. "Mit uns wurde nicht einmal das Gespräch gesucht", sagte GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Das sei der Sozialpartnerschaft unwürdig. "Schon jetzt können Geschäfte bis 21 Uhr offen halten. Wie lange denn noch?" Gegen den US-Giganten Amazon sei die Gewerkschaft zu jeder Allianz für eine faire Besteuerung des Onlineriesen bereit. "So etwas bringt was, nicht zwei Sonntage." (ung, 19.11.2020)