Die Hinweise verdichten sich, dass die Gesundheitsschädlichkeit von Feinstaub auch von dessen Zusammensetzung abhängt.

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Grenzwerte für Feinstaub in der Luft orientieren sich an Menge und Größe der Partikel. Wie gesundheitsschädigend Feinstaub ist, hängt aber auch von dessen sogenanntem oxidativen Potenzial ab, wie Forscher in den Fachjournalen "Nature" und "Plos One" berichten. Demnach könnte es effektiver sein, spezifische Feinstaub-Quellen in den Blick zu nehmen als nur auf eine bloße Verringerung der Feinstaub-Masse abzuzielen.

Luftverschmutzung ist eine ernsthafte Gefahr für die menschliche Gesundheit. Feinstaub trägt neben anderen Schadstoffen wie Stickoxiden und Ozon erheblich zu dieser Belastung bei. Der Zusammenhang zwischen der Feinstaub-Konzentration in der Luft und akuten und chronischen Symptomen und Erkrankungen wurde in vielen Studien belegt.

Entzündungsreaktionen

Dabei setzen die negativen gesundheitlichen Wirkungen aber nicht erst oberhalb bestehender Grenzwerte ein. Das oxidative Potenzial von Feinstaub-Partikeln ist eine von vielen Möglichkeiten, wie Feinstaub die Gesundheit beeinträchtigen kann. Es beschreibt die Eigenschaft, oxidativen Stress in Gewebezellen auszulösen, in dessen Folge Entzündungsreaktionen entstehen können. Der genaue Zusammenhang ist allerdings noch ungeklärt.

Um die dieses gefährliche Potentzial zu untersuchen, setzen die Forscher Gewebezellen in der Kulturschale verschiedenen Partikeln aus. Dabei stellten sie bei allen Kulturen einen Anstieg der Zellschädigung fest. Doch während bei zuvor gesunden Zellen ein antioxidativer Abwehrmechanismus die Entzündungsreaktionen stoppen konnte, reichte die Abwehrkapazität bei bereits geschädigten Zellen nicht aus. So könnten sich Krankheiten wie Asthma oder Cystische Fibrose verschlimmern. "Diese Reaktionen reduzieren auch die Fähigkeit der Atemwegszellen, auf einen nachfolgenden viralen oder bakteriellen Angriff entsprechend zu reagieren", sagte Marianne Geiser von der Uni Bern, eine der Studienautorinnen.

Mineralstaub und Aerosole

Die Forscher sammelten zudem 90 Feinstaubproben an neun Schweizer Standorten und analysierten mithilfe der Zusammensetzung der Partikel deren Quellen und das oxidative Potenzial. Demnach bestand der größte Teil des Feinstaubs aus Mineralstaub und sogenannten sekundären anorganischen Aerosolen wie Ammoniumnitrat und -sulfat. Das oxidative Potenzial des Feinstaubs bestimmten dagegen vor allem sekundäre organische Aerosole, die hauptsächlich aus Holzfeuerungen stammen sowie Metallemissionen aus Bremsen- und Reifenabrieb des Straßenverkehrs.

Die Daten würden darauf hindeuten, dass Stadtbewohner nicht nur einer höheren Menge an Feinstaub ausgesetzt sind, sondern auch solchem mit höheren oxidativen Potential als Menschen auf dem Land, schreiben die Autoren. Sie räumen aber ein, dass die kausale Verbindung zwischen erhöhtem oxidativen Potenzial und der Gesundheitsgefährdung noch immer nicht eindeutig nachgewiesen sei.

"Diese neue Studie zeigt, wie wichtig eine genaue Betrachtung der Quellgruppen sowohl primärer, als auch sekundärer Aerosol-Bestandteile für die Bewertung der Wirksamkeit von Emissionsminderungsmaßnahmen ist", kommentierte Stefan Reis vom UK Centre for Ecology & Hydrology die Studie, an der er selbst nicht beteiligt war. "Während bisher nur wenige belastbare Ergebnisse zur Gesundheitswirkung spezifischer Partikel-Komponenten verfügbar sind, haben bestehende Minderungsstrategien eine direkte Auswirkung auf die Entwicklung der Feinstaub-Komposition." (red, APA, 19.11.2020)