Frauen haben bisher kaum von der Hacklerregelung profitiert.

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Die Autorin Eva Rossmann und die frühere ÖVP-Frauenministerin Maria Rauch-Kallat sind sich einig: Bei den Frauenpensionen muss sich dringend etwas tun. Sie seien zu niedrig, und für Mehrbelastungen gebe es keinen Ausgleich – so wie bei der abschlagsfreien Hacklerregelung, die vorwiegend Männern zugutekomme. 2020 gingen bis Oktober 9.742 abschlagsfreie Alterspensionen an Männer und nur fünf an Frauen. Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne haben sich nun auf deren Abschaffung geeinigt und wollen stattdessen einen "Frühstarterbonus" für jene einführen, die zwischen dem 15. und dem 20. Lebensjahr gearbeitet haben.

STANDARD: Frau Rossmann, Ihnen ist soziale Politik wichtig. Was halten Sie von der Abschaffung der Hacklerregelung?

Rossmann: Diese Regelung gilt nur für eine gewisse Schicht von Männern und praktisch nie für Frauen, auch wenn sie schon mit 15 angefangen haben zu arbeiten. Der Frühstarterbonus ist eine Verbesserung im Sozialbereich, wie es sie nur sehr selten gibt. Eine Verbesserung in dem Sinne, dass es für die wirkt, für die es wirken soll – nämlich für die echten Hacklerinnen und natürlich auch für die Hackler.

STANDARD: Insgesamt wird es trotzdem weniger für Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben. Bisher waren es für diejenigen, die die Hacklerregelung beanspruchen konnten, 300 Euro mehr pro Monat, jetzt werden es mit dem "Frühstarterbonus" nur 60 Euro pro Monat mehr sein.

Rauch-Kallat: Den Staat wird in Summe pro Jahr die neue Regelung in etwa gleich viel wie die Hacklerregelung kosten. Und sie kommt jetzt mehr jenen zugute, die zu wenig haben. Die Kritik daran ist nachvollziehbar, die Hacklerregelung ist stark ideologisch aufgeladen. Und: 45 Jahre schwere Arbeit sind gesundheitlich belastend, aber Frauen sind auch schwer belastet durch Kindererziehungszeiten und Doppelbelastung – trotzdem haben sie fast nie davon profitiert. In den Frühstarterbonus sollten aber unbedingt auch jene mit rein, die jetzt in Pension sind. Da sind wahnsinnig viele Frauen und auch Männer mit sehr kleinen Pensionen dabei, denen das nützen würde.

Rossmann: Ja, die neue Regelung soll zwar erst ab 2022 gelten, ich bin aber auch dafür. Und zur Nivellierung nach unten hin, die kritisiert wird: Was ist treffsicherer? Doch sicher denen, die weniger Pension haben, mehr zu geben. Auch wenn sie keine durchgehende Erwerbsbiografie haben, wie das bei vielen Frauen der Fall ist. Die durchschnittliche Pension derer, die jetzt die Hacklerpension bekommen, ist mehr als doppelt so hoch wie die durchschnittliche Frauenpension. Das sind also nicht die Armen. Wenn Männer ab 15 durchgehend 45 Jahre gearbeitet haben, dann haben sie eh eine ordentliche Pension – und die steht ihnen auch zu. Aber anderen, die unter gleich schwierigen Umständen gleich früh zu arbeiten begonnen haben, steht auch etwas zu. Außerdem gibt es weiterhin über die Schwerarbeiterpension die Möglichkeit, abschlagsfrei in Pension zu gehen. Die berühmten Arbeiter am Hochofen, die ganz schwer gearbeitet haben, die trifft das also gar nicht.

STANDARD: Wir haben einen riesigen Gender-Pension-Gap von 42 Prozent, und es ist auch keine unmittelbare Besserung in Sicht. Braucht es da nicht noch deutlich mehr Maßnahmen?

Rauch-Kallat: "In den Frühstarterbonus sollten aber unbedingt auch jene mit rein, die jetzt in Pension sind."
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Rauch-Kallat: Man muss den Frauen immer wieder sagen: Eine Ehe ist keine Lebensversicherung. Erwerbt eigene Ansprüche. Wir haben mit der Pensionsreform 2004 eine gute Regelung für Frauen gefunden, die ein Jahr bei ihren Kindern bleiben wollen. Ihnen werden 1.350 Euro im Monat angerechnet auf die Pension. Wenn man aber länger oder sogar über die Karenzzeit zu Hause bleibt oder in Teilzeit geht – dann bitte ein Pensionssplitting machen. Ich höre noch immer, dass die Frauen sich nicht trauen, ihren Mann danach zu fragen. Kurz nachdem das Pensionssplitting 2005 eingeführt wurde, sahen wir, dass es damals 900 in Anspruch genommen haben – und davon waren rund 700 Männer. Alle progressiven Männer, die bei ihren Kindern zu Hause geblieben sind, haben sehr wohl an ihre Zukunft gedacht, während die Frauen auf die Hälfte ihrer Pension verzichtet haben. Deshalb finde ich den jetzigen Plan der ÖVP-Frauen gut, dass das Pensionssplitting automatisch werden soll. Man kann sich zwar abmelden, aber grundsätzlich soll es automatisch gelten.

STANDARD: Die von Ihnen erwähnte Pensionsreform hat die Durchrechnungszeit auf ein ganzes Berufsleben erweitert, davor wurden die besten 15 Jahre für die Pension herangezogen. Für Frauenpensionen war das alles andere als ein Gewinn.

Rauch-Kallat: Ja, aber: Obwohl die Regelung 2004 beschlossen wurde, trat sie erst 2018 in Kraft. Diese Regelung entspricht viel mehr einem modernen Frauenbild, das man der ÖVP immer versucht hat abzusprechen. Diese Reform macht das System finanzierbarer, weil auch Frauen einzahlen. Zudem begünstigt es nicht mehr Frauen, die sagen, ich verlasse mich darauf, dass ich eh dann die Witwenpension kriege.

Rossmann: Natürlich war der kürzere Durchrechnungszeitraum für Frauen besser, das ist nur logisch bei den Erwerbsbiografien von Frauen. Doch das hat man abgeschafft – um zu sparen. Ich habe es nicht gut gefunden, es fällt den Frauen jetzt massiv auf den Kopf. Aber das ist jetzt gegessen. Deshalb brauchen wir ein Bündel an neuen Maßnahmen. Und eine davon ist ganz sicher die Umstellung der Hacklerregelung – das ist ein Anfang, aber sicher zu wenig. Wir müssen auch an die vielen Frauen denken, die überhaupt nicht im regulären Arbeitsmarkt sind, an die berühmten neuen Selbstständigen, die nur die Möglichkeit haben, selbst was einzuzahlen. In einer Krise wie dieser haben sie ein echtes Problem. Wir müssen Arbeit neu denken. Wir können uns nicht mehr nach dem alten Modell richten, nach dem alle möglichst voll erwerbstätig sein sollen, noch dazu mit einer Arbeitszeit, die sich nur für Männer ausgegangen ist und die Frauen in Teilzeit drängt. Wir brauchen auch eine kürzere Normalarbeitszeit, die bezahlte Arbeit muss auf mehr Menschen verteilt werden. Es braucht Ansätze, die über die alten Konzepte hinausgehen.

Rossmann: "Die durchschnittliche Pension derer, die jetzt die Hacklerpension bekommen, ist mehr als doppelt so hoch wie die durchschnittliche Frauenpension."
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STANDARD: Frau Rauch-Kallat, eine Arbeitszeitverkürzung wäre für Frau Rossmann also so ein Hinausgehen über alte Konzepte. Und für Sie?

Rauch-Kallat: Ich bin von der Arbeitszeitverkürzung nicht begeistert und muss bei dieser Diskussion immer ein bisschen schmunzeln. Ich habe mit 18 Jahren begonnen zu arbeiten und hatte meinen ersten Lehrerjob. Ich habe immer Vollzeit und ohne Karenzzeiten gearbeitet, ich bin immer acht Wochen nach der Entbindung meiner Kinder wieder in den Schuldienst gegangen. Heute bin ich im 54. Jahr meiner Sozialversicherungsbeitragszahlungen, ich bin noch immer Vollzeit tätig, zahle brav in die SVA ein, sichere mit meiner Firma zwei Vollarbeitsplätze und unterstütze andere Frauen in ihrer Arbeit. Ich weiß nicht, ob ich das alles machen könnte, wenn wir weniger Arbeitszeit pro Woche zur Verfügung hätten.

STANDARD: Nach acht Wochen Mutterschutz wieder arbeiten zu gehen, das geht kaum für jemanden.

Rauch-Kallat: Das war ein Modell für mich, das war meine freie Entscheidung. Ich wusste, wenn ich zu Hause bleibe, fällt mir die Decke auf den Kopf. Das soll jede Frau für sich entscheiden. Mir wurden damals von verschiedenen Seiten vermittelt, dass es nicht gut für mein Kind wäre. Heute weiß ich, dass meine Kinder keinen Schaden davon haben, dass die mit fünf Monaten in der Säuglingskrippe betreut waren. (Beate Hausbichler, 19.11.2020)