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Menschen mit Diabetes können in Lebensgefahr geraten, wenn sie an Influenza erkranken.

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Es ist immer alles eine Frage der persönlichen Einschätzung. Wer sich vor einer potenziell schweren Erkrankung schützen will, könnte die Möglichkeiten von Impfungen in Kauf nehmen. Für Menschen mit Diabetes auch schon vor der Corona-Pandemie gefährlich waren Infektionen wie etwa die Influenza. Man könnte diese Saison zwar auf den Gedanken kommen, es wäre weniger wichtig: weil man doch ohnehin viel weniger Leute trifft, die Abstandsregeln einhält und Mund-Nasen-Schutz trägt. Warum also einen Gang zum Arzt in Kauf nehmen, um sich impfen zu lassen?

Die Antwort: Weil Menschen mit Diabetes in Lebensgefahr geraten können, wenn sie an Influenza erkranken. "Vor allem ältere Patienten mit Diabetes sollten unbedingt Impfungen gegen Grippe und gegen Pneumokokken erhalten, da eine gleichzeitige Erkrankung mit Covid besonders gefährlich wäre," rät der international renommierte österreichische Diabetologe Guntram Schernthaner, "die Empfehlung gilt aber generell für ältere Menschen – auch ohne Diabetes."

Lungen schützen

Gestützt ist diese Empfehlung auf zahlreiche internationale Studien. Diabetologen raten Menschen mit Diabetes nicht nur dazu, sich gegen die Influenza impfen zu lassen, sondern auch gegen Pneumokokken, weil diese Erkrankung für Menschen über 65 Jahren ebenfalls eine große Gefahr darstellt.

Die Wissenschafter stützen sich dabei besonders auf eine Studie in Dänemark. Dort wurden 241.551 Patienten und Patientinnen mit Diabetes mehr als vier Jahre lang beobachtet. Rund ein Drittel dieser Probanden und Probandinnen ließ sich jährlich gegen Influenza impfen, zwei Drittel nicht. In der Studie wurde erhoben, wer während der Grippesaison erkrankte. Das Ergebnis: Die geimpften Teilnehmenden der Studie waren um rund 15 Prozent weniger gefährdet, an einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt zu sterben.

Viren, Bakterien und Pilze

Der Zusammenhang ist relativ leicht erklärt. Es gibt Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Grippe ist eine Viruserkrankung, Pneumonie eine bakterielle Infektion. Oft ist es so, dass der von einer Influenza geschädigte Rachenraum leicht zur Andockstelle für die Pneumokokken wird. Auch die Zuckereinstellung der Diabetes-Patienten spielt beim Krankheitsverlauf eine Rolle. Denn ein hoher Blutzucker schwächt nicht nur das Immunsystem, sondern trägt – besonders bei Übergewichtigen – gemeinsam mit Entzündungsherden oft zu einem dramatischen Krankheitsverlauf bei.

Das Problem: In Österreich sind nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung gegen Grippe geimpft, gegen Pneumokokken nur 15 Prozent. Dieses Verhältnis entspricht auch dem unter den Menschen mit Diabetes, der Anteil der Geimpften ist nur unwesentlich höher. Für die Diabetologin Susanne Kaser, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Diabetes, ist die Impfung ein "effizientes Tool, das leider viel zu wenig genutzt wird". Menschen mit Diabetes sollten sich besonders in dieser Saison aktiv gegen Infektionen schützen. Das heißt: Abstandsregeln einhalten und durch einen Mund-Nasen-Schutz das Risiko für jegliche durch Tröpfcheninfektion übertragene Infektion reduzieren, empfiehlt sie. Und was, wenn Menschen mit Diabetes bereits eine Covid-Erkrankung hinter sich haben? Auch dann, so die Diabetes-Experten, ist die Impfung gegen Influenza und Pneumokokken besonders empfehlenswert. Bei Diabetes spielt immer auch der Lebensstil eine Rolle. Kaser betont, wie wichtig Bewegung im Freien für Menschen mit Diabetes weiterhin ist. "Bewegung und frische Luft sind nicht nur für unseren Körper, sondern auch für die Psyche wichtig", sagt sie.

Problem Impfskepsis

Die wahrscheinlich schwierigste Hürde bleibt jedoch die Impfskepsis. "Oft ist es die Furcht vor Nebenwirkungen, die Menschen abhält", sagt der Mediziner und Psychotherapeut Christian Tatschl, "dabei gibt es diese Nebenwirkungen meist gar nicht." Es fehle den Leuten an gesicherten Informationen. Viele, weiß Tatschl aus Erfahrung, lehnen Impfungen ab, weil sie "eine gute Immunität fühlen und deshalb denken, sie brauchen die Impfung deshalb nicht." Oder es ist das Gefühl, aufgrund gefühlter Immunität solche unterstützenden medizinischen Maßnahmen nicht zu brauchen." Tatschls Nachsatz: "Beides ist natürlich längst widerlegt."

Fazit: Wer als Risikopatient nicht vorbeugend zur Grippeimpfung geht, riskiert einen schweren Krankheitsverlauf, der sich mit einem einzigen Piks verhindern ließe. (Peter Hopfinger, 23.11.2020)