Die größeren und schärferen Zähne waren bei den Vorfahren heutiger Haie gut versteckt – bis sie ihren Kiefer nach außen drehten.

Illu.: UZH/Christian Klug

Die beiden Unterkieferseiten von Ur-Haien, die vor 300 bis 400 Millionen Jahren lebten, waren nicht miteinander verwachsen. Dadurch konnten die Räuber ihre Kiefer nicht nur nach unten klappen, sondern auch nach außen drehen. Das haben Forscher der Universitäten Zürich und Chicago nun mithilfe von Computertomografie und 3D-Druck nachgewiesen.

Die scharfen Zähne von Haien wachsen in mehreren Reihen kontinuierlich nach und sind bereits bei leicht geöffnetem Maul gut erkennbar. Das war nicht immer so. Bei den Vorfahren heutiger Knorpelfische, zu denen neben Haien auch Rochen und Chimären gehören, verlief der Zahnwechsel deutlich langsamer. Im geschlossenem Maul standen die älteren, kleineren und bereits abgenutzten Zähne senkrecht auf dem Kiefer, während die neueren, größeren Zähne in Richtung Zunge wiesen und so meist gut versteckt waren.

Dentales Förderband

Beschaffenheit und Funktionsweise dieser eigentümlichen Kieferkonstruktion nahmen nun anhand eines Vorfahren von heutigen Knorpelfischen unter die Lupe, der vor 370 Millionen Jahre in den Gewässern des heutigen Marokko lebte. Mittels Computertomografie konnten sie den Kiefer nicht nur rekonstruieren, sondern auch dreidimensional ausdrucken. Dies ermöglichte ihnen, seine Funktionsweise nachzustellen und zu testen. Dabei stellte sich heraus, dass die beiden Unterkiefer-Seiten anders als beim Menschen nicht in der Mitte verschmolzen waren. Das ermöglichte es den Tieren, die Kieferhälften nicht nur nach unten zu klappen, sondern sie zugleich automatisch auch nach außen zu drehen.

"Durch diese Drehung stellen sich die jüngeren, größeren und spitzeren Zähne auf, die normalerweise ins Innere des Maules zeigten. So konnte die Beute besser aufgespießt werden", sagte Linda Frey, Erstautorin der Studie im Fachblatt "Communications Biology". "Mit der Innendrehung beim Schließen der Kiefer ziehen die Zähne den Fang dann gleich ein Stück weit ins Maul hinein."

Die besondere Anatomie des Kiefers erlaubte den Haien auch das sogenannte Saugschnappen: Ihre Mundhöhle öffnete sich dabei so weit, dass im Schlund ein Unterdruck entstand und ein implosionsartiger Wassereinstrom die Beute festhielt. (red, APA, 22.11.2020)