Der große Auftritt von Markus Braun im U-Ausschuss brachte dann wegen seiner Entschlagungen wenig Erkenntnisgewinn.

Foto: AFP/FABRIZIO BENSCH

"Ich heiße Sie herzlich willkommen." So begrüßt Kay Gottschalk (AfD), der Vorsitzende des Wirecard-U-Ausschusses im Bundestag, den "Stargast", Markus Braun, und man fragt sich, ob da ein wenig Häme mitschwingt. Braun, 51, Österreicher und ehemaliger Chef des spektakulär pleitegegangenen Ex-Dax-Konzerns Wirecard, wollte ja eigentlich nicht persönlich in den Ausschuss nach Berlin kommen.

Gesundheitsgründe hatte er angeführt, Stichwort Corona. Doch es hat ihm nichts genutzt. Der Bundesgerichtshof entschied: Braun muss persönlich im Ausschuss aussagen, es reicht nicht, wenn er per Video aus dem Gefängnis in Augsburg, wo er seit Sommer in U-Haft sitzt, Fragen des U-Ausschusses beantwortet.

Kontrolle hat versagt

Dieser versucht ja gerade herauszufinden, ob staatliche Stellen in Deutschland Wirecard nicht ordentlich kontrolliert oder – noch schlimmer – eventuell bei den Bilanzfälschungen weggeschaut haben. Also sitzt Braun jetzt in einem großen Saal im Paul-Löbe-Haus des Bundestags. Er trägt einen schwarzen Rollkragenpullover, schwarze Hose, schwarzes Sakko, und es ist ihm gelungen, viele Fotografen und Kameraleute auszutricksen.

Deren Interesse ist natürlich riesengroß, noch nie ist ein in U-Haft befindlicher Ex-Dax-Vorstand in einem U-Ausschuss Zeuge gewesen. Doch Braun nimmt einen Hintereingang des Saales und auf dem Zeugenstuhl Platz. "Mein Name ist Markus Braun, ich wohne derzeit in der Justizvollzugsanstalt Augsburg", sagt er zum Auftakt ruhig und gut vernehmbar. Neben ihm sitzt sein Anwalt, Alfred Dierlamm.

Braun entschlägt sich

Dann verliest Braun seine Aussage. Sie ist kurz und hat zwei zentrale Aussagen. Braun wird kein Wort sagen. "Ich berufe mich auf mein umfassendes Aussageverweigerungsrecht." Er vertraue in die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden, insbesondere der zuständigen Staatsanwaltschaft München I. Bisher habe er sich dieser gegenüber noch nicht geäußert. Das werde er aber "zeitnah" tun. Danach erst könne er allfällige Fragen des Ausschusses beantworten.

Markus Braun will nichts sagen.
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Immerhin äußert er sich noch zu dem Vorwurf, staatliche Stellen hätten in Deutschland geschlampt: "Ich kann nur sagen, dass ich zu keiner Zeit Hinweise darauf erhalten habe, dass sich Behörden, Aufsichtsstellen oder Politiker nicht korrekt, pflichtwidrig oder unlauter verhalten hätten."

Braun erklärt auch noch, dass er sich auf die "Mosaik-Theorie" berufe, dass nämlich in einem Verfahren jedes Detail zähle und er daher einfach gar nichts sagen werde. Kurz ist die Verblüffung des Abgeordneten zu spüren. Doch dann versuchen sie ihr Glück und stellen reihum ihre Fragen, wobei manche gleich auch noch ihre persönliche Bewertung miteinfließen lassen.

Milliardenschaden

"Der Skandal hat einen Milliardenschaden angerichtet", sagt etwa der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer und fragt: "Was sagen Sie den Mitarbeitern und den Anlegern? "Nichts", lautet die Antwort, aber anders ausgedrückt. Egal welche Frage gestellt wird, Braun antwortet immer nur Folgendes: "Ich werde mich nicht abweichend von meinem Statement äußern." Oder: "Ich habe klar gesagt, dass ich mich auf mein Aussageverweigerungsrecht berufe." Und: "Ich berufe mich auf ein Aussageverweigerungsrecht."

Er wiederholt auch immer wieder: "Ich werde mich heute nicht zu Sachverhalten äußern, ich werde mich gegenüber der Staatsanwaltschaft äußern." Und: "Ich habe klar gesagt, dass ich mich auf mein Aussageverweigerungsrecht berufe." Die Fragen prasseln auf Braun nur so ein: Wer hatte das Sagen bei Wirecard? Haben Sie Finanzminister Olaf Scholz (SPD) je getroffen? Ab wann war Ihnen bewusst, dass Wirecard Verluste erzielt hat?

Fragen zu Marsalek

Und weiter: Möchten Sie sich zu Herrn Jan Marsalek äußern? Kennen Sie seinen Aufenthaltsort? Mit wem haben Sie Ihren 50. Geburtstag verbracht (angeblich mit Finanzstaatssekretär Jörg Kukies, Anm.) Haben Sie eine Tochter? Hat Wirecard Zahlungen für Kinderpornografie abgewickelt?

Doch Braun wiederholt immer nur stoisch, dass er nichts sagen werde – auch wenn ihn die Abgeordneten quasi anflehen, "reinen Tisch zu machen". Nur zwei Mini-Angaben lässt er sich entlocken: Dass er am 5. November 1969 geboren wurde und früher mal für die Wirtschaftsberatungsgesellschaft KPMG gearbeitet hat. Um 14 Uhr 30 wird die Sitzung unterbrochen. Die Abgeordneten beraten jetzt erst einmal, wie sie weiter vorgehen wollen.

Danach geht es in die zweite Runde, die Abgeordneten versuchen erneut ihr Glück. Und tatsächlich, Braun sagt etwas. Ja, er sei heute zum ersten Mal im Bundestag. Substantielles hört man nicht. Der Zeuge wirkt müde, er wird auch, sofern dies überhaupt möglich ist, immer einsilbiger und wiederholt nur noch: "Ich berufe mich auf mein Statement." Um kurz nach 16 Uhr endet das Schauspiel fürs erste. Braun reist wieder in seine Zelle in Augsburg, die Abgeordneten wollen nun Sanktionsmaßnahmen wie ein Ordnungsgeld beraten. (Birgit Baumann aus Berlin, 19.11.2020)