Nach einem Terrorattentat obliegt es den Hinterbliebenen nach der Bestattungspflicht, ein Begräbnis für den Attentäter zu organisieren.

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Der islamische Friedhof in Wien-Liesing will den Attentäter von Wien nicht beisetzen. Er habe mit der Ermordung Unschuldiger allen Muslimen geschadet, so die Begründung. Wo er bestattet wird, bleibt offen. Die Familie sei jedenfalls dabei, ein Begräbnis zu organisieren, äußerten sich die Friedhöfe Wien am Donnerstag diskret auf STANDARD-Nachfrage.

Die Bestattung von Mördern mit extremistischen Ideologien ist immer eine heikle Angelegenheit: Keiner möchte ihr Grab neben dem von Angehörigen – oder durch eine Beisetzung den Anschein von Sympathie vermitteln. Und wichtiger noch: Es gilt zu vermeiden, dass die Grabstätten zu Pilgerstätten werden. Deshalb wurden die Leichen der Nazigrößen nach den Nürnberger Prozessen vor 75 Jahren verbrannt und über Wasser verstreut, auch die Überreste von Osama bin Laden gingen über Bord.

"Gefahr für die öffentliche Ordnung"

Viele der jüngsten islamistischen Attentate in Europa wurden aber von Staatsbürgern mit Wohnsitz dort verübt. Ihre Familien haben die Pflicht, sie zu bestatten. Dass das inmitten jener Gemeinschaft zu geschehen hat, der der Täter schaden wollte, plagte insbesondere Frankreich. Wiederholt verweigerten Bürgermeister – meist konservative – eine Bestattung wegen "Gefahr für die öffentliche Ordnung".

Die gekühlten Überreste blieben teils monatelang in Leichenhallen – bis sich eine Gemeinde dazu durchrang, die Beisetzung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchzuführen. Dafür gibt es etliche Beispiele: Der Imam der Stadt Saint-Étienne-du-Rouvray verweigerte die Bestattung der islamistisch motivierten Mörder des Priesters Jaques Hamel im Sommer 2016. Der Leichnam von einem der beiden Männer kam daraufhin in einem Familiengrab in 80 Kilometern Entfernung unter. Die Bestattungsansuchen der Familie des zweiten Attentäters wurden monatelang abgewiesen – von der Gemeinde, in der er starb, sowie auch von jener, in der er geboren wurde, und einer weiteren, in der er einst residierte. Laut französischen Medien willigten schlussendlich die Behörden am Wohnort der Mutter nach mehr als einem Jahr ein. Offiziell bestätigt wurde das aber nie.

Ursprungsland oder Wohnsitzland?

Im Fall Larossi A., der 2016 nahe Paris ein Polizistenpaar vor den Augen ihres Kindes getötet hatte, legten sich alle angesuchten Bürgermeister quer. Der Vater zog vor das Höchstgericht. Ohne Erfolg. Schließlich erbarmte sich das Ursprungsland Marokko, die Leiche zu bestatten.

Wenn es um unbescholtene Staatsbürger geht, die eine Bestattung nach islamischer Tradition wünschen, unterstützen maghrebinische Länder meist die Rückführung ihrer verstorbenen Staatsbürger. Aber nicht, wenn es sich bei dem fraglichen Körper um den eines Terroristen mit Doppelstaatsbürgerschaft handelt, der den Großteil seiner Sozialisierung und Radikalisierung in seinem Wohnsitzland verbracht hat.

Versteckte Trauer

In Belgien gibt es keine Rechtsmittel für eine Verweigerung einer Grabstätte. Drei Bataclan-Attentäter und drei Brüsseler-Flughafen-Terroristen sind mitten in der Hauptstadt unter Grabsteinen begraben, die frei erfundene Namen tragen. Auch wenn die Bestattung in Teilen der belgischen Bevölkerung für Unmut sorgte, hatte sie sehr positive Folgen: Bei dem Begräbnis kam die Polizei dem einzigen Überlebenden der IS-Truppe auf die Spur, die im November 2015 Paris attackiert hatte.

Und für die Mütter der Attentäter seien die Gräber "der einzige Ort, an dem sie die beschämende Trauer über Ableben und Werdegang der Söhne ausdrücken können", erzählte Ludo Beckers von der Friedhofsverwaltung bei einer Besichtigung des multikonfessionellen Friedhofs Schaerbeek dem STANDARD zwei Jahre nach dem Attentat. Manche der Frauen seien fast täglich ans Grab gekommen. Man dürfe die Familien für die Straftaten der Söhne nicht bestrafen, befand Beckers damals. Ein in Belgien prominentes Beispiel dafür ist, dass der Bruder eines Attentäters vom Brüsseler Flughafen ein preisgekrönter Olympia-Athlet des Landes ist. (Flora Mory, 20.11.2020)