In ganz besonderen Fällen kann man auch ohne Losungswort zur Einlage auf dem Sparbuch gelangen, entschied der OGH.

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Wer das Eigentum eines Überbringersparbuchs rechtskräftig erwirbt, hat selbst dann Anspruch auf Auszahlung, wenn er das Losungswort nicht kennt. Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs betrifft eine Klägerin, die im Herbst 2016 in ihrer seit 16 Jahren bewohnten Mietwohnung drei alte Sparbücher fand mit einem Einlagestand von jeweils 300.000 Schilling (21.801,85 Euro), die 1998 und 1999 vor der Euro-Einführung eröffnet worden waren. Sie brachte die Sparbücher zum Fundamt und erhielt sie nach einem Jahr zurück, weil sich der Berechtigte nicht gemeldet hatte.

Die Klägerin legte die Sparbücher daraufhin in einer Filiale der Beklagten vor, die zunächst alles für die Auszahlung in die Wege leitete, ihr aber dann mitteilte, eine nochmalige juristische Prüfung habe ergeben, dass eine Auszahlung an sie mangels Kenntnis des Losungsworts nicht möglich sei.

Bank verweigerte Auszahlung

Die Finderin klagte auf Auszahlung von 65.405,55 Euro gegen Übergabe der Originalsparbücher. Sie argumentierte, sie sei durch Fund Eigentümerin der Sparbücher geworden. Die Bank erklärte, es handelte sich um Großbetragssparbücher, weshalb die Auszahlung nur an den identifizierten Kunden – also den seinerzeitigen Eröffner des Sparbuchs – erfolgen dürfe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht wies die Klage hingegen ab. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her (OGH 2.9.2020, 3 Ob 23/20h). Er stellte klar, dass im Fall des originären Eigentumserwerbs durch Fund an einem Überbringersparbuch, das nach alter Rechtslage eröffnet worden war, der Anspruch auf Auszahlung des Sparguthabens auf den Finder übergeht.

Nicht der Eröffner, sondern die neue Inhaberin müsse nun identifiziert werden. Dass ihr die Losungsworte der Sparbücher nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein können, dürfe ihr nicht schaden. Statt des Losungsworts könne sie den Nachweis ihrer materiellen Berechtigung – den Eigentumserwerb durch Fund – vorweisen. (Eric Frey, 20.11.2020)