PR-technisch haben SPÖ und FPÖ einen Volltreffer gelandet. Mit dem Aus für die Hacklerregelung haben die Oppositionsparteien endlich ein Thema gefunden, das viel Wut auf die Regierung erzeugt. Doch in der Sache hauen Rot und Blau daneben. Das Gerede vom "Pensionsraub" ist fehl am Platz.

Weder kürzen ÖVP und Grüne bestehende Pensionen, noch rütteln sie an einer Grundfeste der Altersversorgung. Wenn die Koalition die Möglichkeit der Frühpension ohne Abschläge nach 45 Arbeitsjahren nun streicht, dann beseitigt sie einen Vorteil, der erst heuer wieder eingeführt wurde und für zigtausende Pensionisten davor nicht galt.

Alterspensionen von Frauen liegen im Schnitt bei lediglich 1219 Euro .
Foto: imago/Westend61/Rainer Berg

Soziale Notwendigkeit gab es für das Sonderrecht nie. Im Vorwahltaumel hat das Parlament viel Geld für eine Gruppe lockergemacht, die dank sicherer Jobs im Ruhestand ohnehin relativ gut situiert ist und wegen der Eigenheiten des heimischen Systems auf viele Jahre hin praktisch nur auf ein Geschlecht beschränkt bleibt. Der Wegfall der Abschläge ließ die durchschnittliche Hacklerpension der Männer heuer um 420 Euro auf 2894 Euro brutto im Monat steigen. Geradezu mickrig machen sich da die Alterspensionen der Frauen aus, die im Schnitt bei lediglich 1219 Euro liegen.

Sicher, 45 Jahre sind kein Klacks. Wer so lange durcharbeitet, hat viel geleistet. Aber die Menschen werden ja auch immer älter, da ist es vertretbar, dass es die volle Monatspension erst ab dem gesetzlichen Pensionsalter von 65 gibt. Wer vorzeitig aufs Altenteil will, kann sich ausrechnen, ob das Abschläge von 4,2 Prozent pro Jahr zu früh wert ist.

Steigende Lebenserwartung

Doch können sich die Leute das denn aussuchen? Die Indizien deuten nicht darauf hin, dass verhinderte Hackleranwärter massenhaft in der Arbeitslosigkeit landen werden, weil sie der Arbeitgeber rausschmeißt. Auszuschließen sind solche Fälle natürlich nicht, doch dieses Problem lässt sich nicht über das Pensionssystem lösen. Sonst müsste man das Antrittsalter gleich auf 55 Jahre hinunterdrücken.

Gegen die Hacklerregelung sprechen auch die Kosten, die sich mit den Jahren rasch auf ein paar Hundert Millionen summieren. Weil die Lebenserwartung steigt und obendrein noch die geburtenstarke Babyboomer-Generation ins Pensionsalter kommt, werden die Zuschüsse aus Steuergeld ins System in der nahen Zukunft beträchtlich anschwellen. Eine Prämie, damit Menschen ihren Job früher als nötig niederlegen, ist da die falsche Investition.

Die von der Regierung versprochene Alternative, ein Bonus für Frühstarter ins Arbeitsleben, kostet zwar nicht weniger, doch das Geld wird ausgewogener verteilt. Zum Zug kommen sollten auch viele Bürger, die von der Hacklerregelung nichts haben. Wer – wie etwa viele Bauarbeiter – längere Zeit arbeitslos oder krank war, der bekommt die nötigen 45 Arbeitsjahre kaum zusammen.

Als "Systemfehler" hat ein Sozialminister die Hacklerregelung einmal in einem STANDARD-Interview bezeichnet. Das war kein Sozialistenfresser von türkis-blauen Gnaden, sondern der Sozialdemokrat Rudolf Hundstorfer. Der mittlerweile verstorbene Ex-ÖGB-Boss hat die damals in einer noch exzessiveren Form bestehende Hacklerregelung ein erstes Mal schleichend entsorgt – und so mancher Gewerkschafter, der heute Verrat schreit, stimmte im koalitionären Abtausch mit der ÖVP im Parlament mit. Von einem "Pensionsraub" sprach damals nur die FPÖ. (Gerald John, 19.11.2020)