Arthur Gottlein wurde am 15. Juni 1895 in Wien geboren. Seine Eltern Emil und Hermine Gottlein waren jüdische Kaufleute, die wenige Jahre vor Arthurs Geburt aus Böhmen beziehungsweise Mähren nach Wien gekommen waren. Zunächst wohnhaft in der Leopoldstadt, übersiedelte die Familie bald nach Favoriten, wo die Eltern einen Gemischtwarenhandel betrieben. Gottlein besuchte zunächst die Handelsschule, um jedoch etwas später ins Schauspielfach zu wechseln. Im Jahr 1920 heiratete er seine große Liebe Hermine Knöpfmacher.

Frühe Karriere beim Film

Bereits mit 18 Jahren begann er beim Film zu arbeiten und kam im Laufe seiner Karriere mit den ganz Großen seiner Zeit in Berührung: Gottlein arbeitete mit den Wiener Filmpionieren Louise und Anton Kolm, außerdem für den legendären Filmproduzenten Graf Sascha Kolowrat. Im Ersten Weltkrieg war er im Kriegspressequartier beschäftigt, später wirkte er in verschiedenen Positionen (vor allem als Aufnahme- und Produktionsleiter) bei rund 100 (Stumm-)Filmproduktionen mit.

So war er Regieassistent bei den monumentalen Stummfilmwerken "Sodom und Gomorrha" (1922) und "Die Sklavenkönigin" (1924). Bei rund 15 Spielfilmen der frühen 1920er- und 1930er-Jahre führte Gottlein selbst Regie, etwa bei dem Operettenfilm "Der Rastelbinder" (1927) sowie einigen Kurztonfilmen nach Drehbüchern von Karl Farkas, wie "Unter den Dächern von Wien", "Justizmaschine" (beide 1931) und "Lampel weiß alles" (1932). Und ganz nebenbei stellte er über 100 Kultur- und Werbefilme her, für die er nicht nur das Skript schrieb, sondern auch den Schnitt übernahm. Früh zeigte sich eine Charaktereigenschaft, die ihn sein Leben lang begleiten würde, nämlich gelebte Solidarität und Hilfsbereitschaft. 1922 zählte er zu den Begründern des Filmbunds, einer Interessenvertretung verschiedener Berufsgruppen der Filmbranche.

Arthur Gottlein aus "Arthur Gottlein, Der österreichische Film", 1976.
Foto: Uli Jürgens
Bei den Dreharbeiten zu "Der Pfarrer von Kirchfeld", 1937. Gottlein: Zweiter von links, rechts von ihm Jakob Fleck und Marlene Dietrich, aus: "Mein Film", Nr. 613, November 1937.
Foto: Anno ÖNB

Der März 1938

Für Gottlein stellten wie für viele andere jüdische Filmschaffende das Jahr 1938 und der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich eine einschneidende Zäsur in seiner Arbeit dar. Noch 1937 stand er als Aufnahmeleiter beim in Österreich letzten unabhängig gedrehten Spielfilm hinter der Kamera, "Der Pfarrer von Kirchfeld", inszeniert vom Regiepaar Jakob und Louise Fleck (sie hatte nach dem Tod ihres ersten Mannes Anton Kolm ihren jüdischen Kameramann geheiratet). An dieser Produktion wirkten einige bedeutende Personen mit, die bald darauf von der Verfolgung durch das NS-Regime besonders betroffen waren: Der Produzent Siegfried Lemberger und sein Kameramann Ernst Mühlrad wurden im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. Der Drehbuchautor Friedrich Torberg, der für diesen Film das Pseudonym Hubert Frohn verwendete, flüchtete über Paris und Lissabon in die USA. Der Textdichter Hans Weigel und der Schauspieler Karl Paryla überlebten im Schweizer Exil. Der Komponist Viktor Altmann entkam nach Großbritannien. Der Komponist Karl M. May flüchtete über Paris nach Spanien und starb 1943 in Madrid. Die Schauspieler Hans Jaray und Ludwig Stössel gingen in die USA ins Exil, Louise und Jakob Fleck nach Schanghai.

Gottlein verließ im Juni 1939 seine Heimat. Ein Vertrag mit der amerikanischen Filmproduktionsfirma Minerva Pictures ermöglichte ihm zunächst die Flucht auf die Philippinen. Gottlein drehte in Manila einige Filme auf Englisch und in der Landessprache Tagalog, darunter eine musikalische Komödie mit dem Titel "Huling Pagluha" (deutsch "Die letzten Tränen", 1940). In dieser Produktion spielte auch das Komikerpaar Pugo und Togo mit, die beiden waren bekannte und beliebte Stars des damaligen philippinischen Kinos.

Exil in Schanghai

Im Jahr 1941 wurde aufgrund des Kriegsverlaufes und des Ausbruchs des Pazifikkriegs aus einem Besuch Gottleins in Schanghai ein mehrjähriger Aufenthalt. Die lange Zeit der Emigration – 1939 bis 1949 – ist anhand von dutzenden handgeschriebenen Taschenkalendern fast Tag für Tag rekonstruierbar. Gottlein gibt hier Auskunft über alle Stationen seiner Flucht, seine Arbeitsprojekte und seine weiteren Pläne. Wie viele andere Exilanten fand auch er in Schanghai keine Beschäftigung in seinem angestammten Beruf, der Filmbranche. Um zu überleben, waren Fantasie und Kreativität gefragt, und so gründete er die "Schanghaier Puppenbühne", ein Marionettentheater. Er suchte Kontakt zu Puppenbauern und Näherinnen, organisierte Proben und Auftritte. Keine einfache Aufgabe, wie Gottlein im Vorwort eines Programmhefts schrieb: "Jede Schraube, jedes Stückchen Material war nicht nur ein finanzielles Problem, sondern ein Felsblock, der aus dem Wege geräumt werden musste."

Gottliebs Taschenkalender aus dem Jahr 1942 aus dem Nachlass im Filmarchiv Austria.
Foto: Uli Jürgens

In Gottleins Nachlass im Filmarchiv Austria in Wien existieren Theatertexte mit handschriftlichen Hinweisen und Anmerkungen, das Ensemble – bestehend aus befreundeten Schauspielerinnen, Schauspieler, Sängerinnen und Sänger – spielte Wiener Volksstücke, zunächst auf Deutsch, dann auch auf Englisch und Chinesisch. Auf dem Programm standen Ferdinand Raimunds "Der Bauer als Millionär" und Johann Nestroys "Lumpazivagabundus" (unter dem Titel "Drei liederliche Burschen"), beide in der Bearbeitung durch den Wiener Arzt und Schriftsteller Hugo Alt.

Nur wenige Fotografien des Theaters sind erhalten geblieben. Diese geben aber einen interessanten Einblick in die sehr professionelle Gestaltung der kleinen (Wander-)Puppenbühne. Die Vorstellungen waren überaus beliebt, und in diversen Exilzeitschriften wurden die Puppenspiele als etwas ganz Neues für Schanghai ausführlich beschrieben. Im Mai 1942 erfuhr man zum Beispiel aus einem von Gottlein aufbewahrten Zeitungsausschnitt, dass bei der Bearbeitung von "Der Bauer als Millionär" die Zahl der Figuren von 28 auf zehn reduziert wurde und fünf Puppenspieler die 1,20 Meter breite und einen Meter hohe Bühne gleichzeitig bespielen konnten. Einen "Eisernen Vorhang" gab es genauso wie zahlreiche Scheinwerfer, die Tag- und Nachtszenen beleuchteten. Die Puppen entwarf Gottlein selbst; sie sollen – so wird im Zeitungsartikel beschrieben – berühmten Schauspielerinnen und Schauspielern ähnlich gesehen haben. Neben den Volksstücken spielte er auch eine Art Revue mit Live-Gesang und einem Salonorchester.

Die Kriegsjahre

Je weiter der Krieg voranschritt, desto schwieriger wurde es für die Flüchtlinge in Schanghai. Zu dieser Zeit lebten rund 18.000 jüdische Flüchtlinge in der chinesischen Metropole, darunter rund 5.000 Österreicherinnen und Österreicher. 1943 wurden sie in einem Stadtviertel zusammengepfercht, dem "Schanghaier Ghetto". Es folgten Jahre der Not und des Elends. Gottleins Puppentheater wurde zerstört, keine der Figuren ist erhalten geblieben. Bis Kriegsende lebte das Ehepaar Gottlein von Almosen und etwas Geld, das Hermine Gottlein mit dem Verkauf von selbstgestrickten Handschuhen verdiente. In den ersten Schanghaier Nachkriegsjahren setzte sich Gottlein für andere Exilanten ein und nutzte seine Kontakte, um ihre Weiterreise vor allem in die USA in die Wege zu leiten. Er selbst wollte als einer der wenigen wieder zurück nach Österreich. 1949 bestiegen schließlich auch er und seine Frau Hermine in Schanghai ein Passagierschiff und erreichten nach einer langen und beschwerlichen Reise rund um den halben Erdball – die Fahrt führte über Manila nach San Francisco und New York bis nach Neapel – am 12. April 1949 ihre Heimatstadt Wien.

Bühnenfoto der "Schanghaier Puppenspiele" aus dem Nachlass im Filmarchiv Austria.
Foto: Uli Jürgens
Zeitungsfoto der "Schanghaier Puppenspiele" aus dem Nachlass.
Foto: Filmarchiv Austria

Zurück in Wien

Ein wirklicher Neuanfang im Filmgeschäft gelang Arthur Gottlein in Wien nicht mehr. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit dem Verfassen von Zeitungsartikeln, etwa für die jüdische Gemeindezeitung oder diverse Filmzeitschriften. Außerdem begann er sich erneut gewerkschaftlich zu engagieren und war jahrelang Vorstand der Gewerkschaft Kunst und freie Berufe. Und er begann zu sammeln: Porträtaufnahmen von österreichischen Filmschaffenden ab den 1910er-Jahren, Fotografien der ersten Filmateliers in Wien, Plakate, Dokumente, Zeitungsausschnitte. Kurz vor seinem Tod vermachte er diese umfangreiche Sammlung dem Filmarchiv Austria. Am 16. September 1977 starb der vielfach mit Preisen und Ehrungen ausgezeichnete Arthur Gottlein im Alter von 82 Jahren in Wien. (Uli Jürgens, 27.11.2020)