Seit 2014 haben sich Morde an Frauen verdoppelt.

Foto: ORF/RAUM.FILM/Christian Haake

Österreich ist laut Eurostat das Land, wo europaweit im Geschlechterverhältnis die meisten Tötungsdelikte an Frauen passieren. "Wir sind beim Anteil an umgebrachten Frauen im Vergleich zu den Männern ganz vorne", sagt der Kriminalpsychologe Wolfgang Marx zum STANDARD. "Wenn jemand getötet wird, ist es in Österreich ungewöhnlicherweise eher eine Frau als ein Mann." Womit sich die Statistik im Gegensatz zum Rest Europas unterscheidet.

Die Zahlen: 2017 galten 0,58 der tätlichen Angriffe pro 100.000 Einwohner Frauen, 0,48 richteten sich gegen Männer. 2020 gab es bisher 20 Morde an Frauen und 22 Mordversuche beziehungsweise Fälle von schwerer Gewalt. 2019 wurden laut Kriminalstatistik 39 Frauen – häufig von ihren (Ex-)Partnern oder Familienmitgliedern – ermordet. Die Morde an Frauen in Österreich stiegen in den letzten Jahren an – seit 2014 haben sie sich verdoppelt. Jede fünfte Frau – also 20 Prozent der Frauen – ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. 2017 suchten 18.860 Opfer familiärer Gewalt Hilfe in Schutzeinrichtungen. 83 Prozent davon waren Frauen und Mädchen, die in den allermeisten Fällen vor ihrem Partner oder einem anderen Mann in der Familie flüchteten.

Beklemmendes Dokument

Auf der Basis dieser erschreckenden Zahlen hat sich die Regisseurin Andrea Eder für ihren Dokumentarfilm "Und bist du nicht willig" aufgemacht, um Frauen zu befragen, die Opfer von Gewalt wurden. Die Künstlerin Aiko Kazuko Kurosaki tanzte in einer 29-tägigen Performance in Wien, ganz in Weiß gekleidet, mit einer roten Schnur und begleitet das beklemmende Dokument, zu sehen am Sonntag um 23.05 Uhr.

Die Künstlerin Aiko Kazuko Kurosaki performt gegen Gewalt an Frauen.
Foto: ORF/RAUM.FILM/Christian Haake

"Die Hochzeitsnacht war eine Vergewaltigung". – "Ich wollte eigentlich nur eine intakte Familie haben." – "Gewalt hat keine Grenzen." – Die Stimmen der Frauen signalisieren ein und dasselbe: Dass keine Frau 100-prozentig sicher sein kann, nicht auch irgendwann einmal Opfer von meist häuslicher Gewalt zu sein. "Gewalt gegen Frauen ist kein österreichisches, sondern ein globales Problem", sagt Rosa Logar von der Interventionsstelle gegen Gewalt. Sie spricht von einer "Pandemie". In Österreich gehe die Justiz immer noch zu lax mit Gewalttätern um, Warnzeichen würden ignoriert, sagt Maria Rösselhumer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser. Sie beobachtet innerhalb patriarchaler Strukturen eine "Verrohung in unserer Gesellschaft, die salonfähiger geworden ist".

Die Frauenhäuser in Österreich sind voll. Während des Lockdowns dürfte auch die häusliche Gewalt wieder zunehmen. "Gewalt gegen Frauen darf nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden", sagt Rösselhumer. Aiko Kazuko Kurosaki tanzt für die Sichtbarmachung des Themas. Das ist, so wie dieser Film zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, ein wichtiger Beitrag. (Doris Priesching, 21.11.2020)