Booker-Preisträger Douglas Stuart.

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Der Sensationswert hält sich eigentlich in Grenzen. Ein Schotte schreibt über seine Kindheit in den 1980er-Jahren in Glasgow. Margret Thatcher regiert das britische Königreich. Und in einer abgerockten Substandardwohnung regiert bei der Mutter des Autors König Alkohol. Er gewinnt einem gut durchdeklinierten Genre also neue kräftige Seiten ab.

Douglas Stuart hat für seinen Debütroman Shuggie Bain den mit umgerechnet 56.000 Euro dotierten Booker-Preis 2020 verliehen bekommen, die in Großbritannien wichtigste literarische Auszeichnung. Das Buch ist bis in die Wolle autobiografisch gefärbt.

Der junge Mann wächst mit zwei Geschwistern im damals zugrundegehenden Sozialstaat der Marke Thatcher in einem sozialen Brennpunkt auf. Wir schreiben das Jahr 1981. Die alleinerziehende Mutter säuft sich im Plattenbau tatsächlich zu Tode. All ihre Träume wurden nicht nur enttäuscht, sondern auch staatlich zugrunde gerichtet. It’s the economy, stupid. Und dann Prost! Armut kennt keine Würde, Armut kennt keinen Stolz. Die Liebe der Kinder zu ihren Eltern aber, sie ist stärker als die Sucht einer an sich selbst verzweifelnden Mutter.

"Gewagt, erschreckend und lebensverändernd"

Laut der gern nach Lebensnähe abseits des Musenhains suchenden Booker-Preis-Jury sei Douglas Stuarts Roman deshalb auszeichnungswürdig, weil Stuarts Vita entsprechend "gewagt, erschreckend und lebensverändernd" daherkomme.

Douglas Stuart muss also nach dem Tod seiner Mutter im Alter von 16 Jahren zusehen, wie er allein zurechtkommt. In einem Außenseiterumfeld, das keine Außenseiter zulässt, sondern sich auch noch gern selbst in die wortwörtliche Goschen haut, kommen dabei auch noch die unerfreulichen Nebenwirkungen seiner Homosexualität dazu.

Der Autor Douglas Stuart hat es aus dieser Misere herausgeschafft. Er absolvierte ein Modedesign-Studium am Royal College of Art in London. Und er zog im Jahr 2000 nach New York, um dort als Designer für Calvin Klein, Gap oder Ralph Lauren zu arbeiten.

"Meine Mutter ist in jeder Seite dieses Buches, und ohne sie wären ich und das Buch nicht hier", so der 44-Jährige. Der Weg zum Schriftsteller war mit Kurzgeschichten, die im Magazin The New Yorker abgedruckt wurden, vorgezeichnet. Auf der Website Lit Hub veröffentlichte er außerdem zum Thema Gender, Klassenzugehörigkeit und Angst. Gegenwärtig schreibt Stuart an einem zweiten Roman. Der Modewelt wird er wohl abhandenkommen. (Christian Schachinger, 20.11.2020)