Praktisch jeder, der sich beruflich mit der Pandemie beschäftigt, fordert für Österreich einen Plan, eine Strategie. Fast ein Dreivierteljahr nach dem Ausbruch. Inzwischen ist es belegt – unter anderem durch die Berechnungen des emeritierten Statistikprofessors Erich Neuwirth –, dass ein massives Ansteigen der Fälle im Herbst voraussehbar war, aber Zeit für entsprechende Maßnahmen über den Sommer von der Regierung verplempert wurde.

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat mit seinem feinen Sensorium für politische Gefahr festgestellt, dass deswegen der Glaube an die Corona-Bekämpfungskompetenz in der Bevölkerung stark gesunken ist. Aufmerksamere Beobachter erinnern sich, dass er gerühmt hat, wie sehr doch Österreich "besser als andere" die Krise gemeistert habe. Inzwischen stehen wir bei den Neuinfektionen an der Weltspitze.

Bei Massentests müssen entsprechende Personengruppen mehrmals in kurzen Abständen immer wieder neu getestet werden.
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Deswegen platzte er vor knapp einer Woche mit dem Wundermittel "Massentests" heraus. Vorbild die rechtspopulistisch regierte Slowakei, wo 3,6 Millionen zweimal Schnelltests durchliefen. Kurz betrieb nun das Projekt, das für Österreich zu wiederholen, "damit es ein Weihnachten wie früher gibt".

Anfang Dezember sollen zunächst nun also die Lehrer schnellgetestet werden. Dann die Polizisten und dann die Gesamtbevölkerung. Davor steht jedoch beträchtliche Konzeptarbeit. Zunächst wurde die Kampagne in der Slowakei mit Druck durchgeführt, die Teilnahme war nicht wirklich freiwillig. Für Österreich soll Freiwilligkeit gelten, sagt Kurz, das schränkt die Erfolgsaussichten stark ein. Allerdings zeigt jetzt Südtirol, dass sich die Bevölkerung stark beteiligt.

Momentaufnahme

Der Witz bei diesen Antigen- Massentests (die etwas anderes sind als die PCR-Tests) besteht aber darin, dass "die entsprechende Personengruppe mehrmals in kurzen Abständen immer wieder neu getestet werden muss", wie der Vizepräsident der Ärztekammer, Herwig Lindner, in einer Pressekonferenz sagte. Ein bundesweiter Einmaltest bringe nur eine unscharfe Momentaufnahme. Schon am nächsten Tag kann der Getestete positiv sein. Außerdem: "Das massenweise Testen von Symptomlosen produziert neben falsch-negativen auch Tausende von falsch-positiven Ergebnissen", so Lindner.

Auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober meldete sich mit einem Caveat: "Damit die Testungen epidemiologisch sinnvoll sind, müssen sie mehrmals wiederholt werden. Und niederschwellig und freiwillig sein."

Die Sozialpartner, die Kurz zu einer Sitzung versammelte, haben dem Plan zugestimmt. Logisch, denn die Schnelltests schaffen doch gute Voraussetzungen, damit die Betriebe weiterarbeiten können. Wenn (!) sie richtig vorbereitet und gemacht werden.

Das aber liegt vollkommen im Unklaren, weswegen auch eine für diesen Freitag angesetzte Pressekonferenz abgesagt wurde. Es gibt einfach noch kein ausgearbeitetes Konzept für eine so große Aktion, die noch vor Weihnachten ablaufen soll.

Gesundheitsminister Anschober ist grundsätzlich auch für die Massentests, verlangt aber ebenfalls nach einem ausgearbeiteten Konzept. Er selbst hat allerdings auch ein Glaubwürdigkeitsproblem, denn seine Voraussagen, dass es keine "zweite Welle" und keinen zweiten Lockdown geben werde, wurden dramatisch falsifiziert. Möglicherweise liegt das auch an einigen seiner Experten und Berater, deren katastrophal falsche, bagatellisierende Vorhersagen inzwischen im Internet boshaft mit den hochschießenden Kurven gekoppelt werden.

Also, schauen wir einmal. Das ist unser Konzept. (Hans Rauscher, 20.11.2020)