Regionale Produkte durch Zölle und Abgaben zu forcieren, kann heimischen Herstellern helfen und Emissionen senken. Autarkie hat ein aber einen hohen Preis.

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Zuerst kommt die Maske, dann die Moral. So lässt sich in Anlehnung an Bertolt Brecht der Verteilungskampf um Schutzausrüstung beschreiben, den der Ausbruch der Corona-Pandemie im März und April auslöste. Deutschland hielt zeitweise medizinische Schutzausrüstung an der Grenze zurück, Frankreich beschlagnahmte Mund-Nasen-Schutz-Bestände, die USA kauften den Weltmarkt halb leer. Bei wichtigen Bestandteilen für Infektionstests herrschen weiterhin Engpässe.

Schon bald wurde die Forderung laut, globale Lieferketten zu regionalisieren. Um künftig schneller agieren zu können, gelte es Produktionsketten nach Österreich zurückzuholen, sagte etwa Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). In diesem Sinne zahlten Bund und Land 50 Millionen Euro an den Pharmariesen Novartis, um die Penicillin-Produktion im Tiroler Kundl aufrechtzuerhalten.

Gleichzeitig trieb die Pandemie in Europa Tendenzen voran, Konzernübernahmen aus Amerika oder Fernost einzuschränken. Mit dem Investitionskontrollgesetz schuf die Regierung ein Instrument, um ausländische Investoren davon abzuhalten, bei heimischen Firmen groß mitzumischen, wenn die öffentliche Ordnung auf dem Spiel steht.

Österreich stark verflochten

Dass eine Pandemie auf Kosten des Welthandels geht, leuchtet ein. Manche Ökonomen warnen jedoch davor, den wirtschaftlichen Schaden für eine kleine Exportnation wie Österreich auszublenden, wenn protektionistische Tendenzen die Ausnahmesituation überdauern und auf Bereiche außerhalb der Sicherheit überschwappen.

Denn immerhin wird ein Drittel der gesamten österreichischen Wirtschaftsleistung durch ausländische Endnachfrage bestimmt. Das ergibt eine aktuelle Auswertung des wirtschaftsliberalen Thinktanks Eco Austria, die dem STANDARD vorliegt. Dabei wurden nicht nur Exportmärkte verglichen, sondern auch die Rolle Österreichs innerhalb globaler Wertschöpfungsketten berücksichtigt.

Spannend dabei: Große Länder wie die USA, aber auch Exportriesen wie China sind weit weniger mit globalen Wertschöpfungsketten verflochten als Österreich. Firmen in großen Märkten finden leichter regionale Zulieferer. Für heimische Betriebe ist die Situation anders: sei es die Klosterneuburger Komponente für den neuen Corona-Impfstoff oder die Mühlviertler Maschine, die den dänischen Legostein fertigt. Was hiesige Unternehmen exportieren, besteht aus vielen importierten Teilen.

Industrie und Rohstoffgewinnung sind zum Großteil von der Nachfrage im Ausland abhängig. Selbst die heimische Landwirtschaft hängt zu mehr als der Hälfte von ausländischen Endkunden ab. Da Österreich so stark mit der Welt verflochten ist, würde es teuer kommen, wenn andere Länder sich ebenfalls mehr abschotteten, sagt Wolfgang Schwarzbauer von Eco Austria.

Nicht Umwelt opfern

Muss man darum auf Ökosteuern auf neuseeländische Zwiebeln verzichten, um heimische Produzenten vor Vergeltung zu schützen? "Man muss gut begründen, warum man etwa Lebensmittel oder Sprit verteuert", sagt Schwarzbauer. Wenn Konsumenten es mittrügen, sei das kein Problem. Europas Industrie zeige außerdem, dass sie trotz zusätzlicher Emissionskosten wettbewerbsfähig sei. Um höhere europäische Standards durchzusetzen, seien Freihandelsverträge eine Chance, meint Schwarzbauer.

Umweltorganisationen beklagen, dass bestehende Ökoklauseln in solchen Verträgen zahnlos seien. Dem Argument der Ökonomen folgend, wäre der Anlass nachzuschärfen, statt Abschottung zu forcieren. (Leopold Stefan, 21.11.2020)