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PRO: Kirche im Dorf lassen

von Verena Kainrath

Einkaufen an sieben Tage die Woche bringt unterm Strich nicht mehr Umsatz. Sonntagsöffnung ist teuer; sie rechnet sich nur für wenige Unternehmer, bezahlt wird sie von Kunden. Vor allem aber verschlechtert sie die Arbeitsbedingungen für Frauen, denen der Handel schon bisher hohe Flexibilität für niedrige Löhne abverlangt – und die sich dann noch mehr selbst ausbeuten müssten.

All diese Bedenken gegen die Sonntagsöffnung sind legitim. Doch beim Streit um zwei offene Sonntage im Advent gehört die Kirche im Dorf gelassen. Akzeptable Regeln dafür machen Sozialpartner und damit auch Arbeitnehmer. Zwei Tage sind kein Freifahrtschein für eine generelle Liberalisierung.

Kein Händler soll sonntags aufsperren müssen oder von Einkaufszentren dazu gezwungen werden. Wer es will und es sich leisten kann, muss Mitarbeiter dafür doppelt abgelten und ihnen anschließend freigeben. Der Handel ist nur eine von vielen Branchen, in denen sich Grenzen der Arbeitszeit auflösen: Für ein Drittel der Beschäftigten in Österreich ist Sonntagsdienst kein Tabu. Entscheidend sind Freiwilligkeit und gute Bezahlung.

Erhalten Kunden mehr Zeit zum Einkaufen, ließe sich der erwartbare Ansturm auf Geschäfte nach dem Lockdown besser verteilen. Für Händler wächst der Spielraum, um Umsätze zurückzuholen, die sie während des Stillstands an Amazon verlieren. Vor allem aber bringen zwei offene Sonntage Arbeitsplätze – Jobs, die es in der Krise mehr denn je braucht. (Verena Kainrath, 20.11.2020)

KONTRA: Auf Kosten der Frauen

von Petra Stuiber

Es klingt verlockend: Lasst uns doch nach dem Lockdown alle ein wenig die Ärmel aufkrempeln. Ein bisschen Sonntagsarbeit, damit die Umsätze im Weihnachtsgeschäft wieder passen – es geht ja schließlich auch um eure Jobs, Leute! So stellt sich Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer die Welt vor, im Blick immer "die Wirtschaft". Dabei übersieht er glatt, wie sich seine Idee für die vielen Frauen darstellt, die im Handel beschäftigt sind. Ist die Sonntagsarbeit erst einmal möglich, wird es die Freiwilligkeit nicht spielen. Dann heißt es: "Mach mit oder geh!" Und man darf sicher sein: Das Weihnachtsgeschäft ist erst der Anfang.

Doch wie sollen das beispielsweise Alleinerzieherinnen schaffen? Wie sollen überhaupt Frauen diese Belastung auch noch schaffen, nach zwei Lockdowns mit Homeschooling und ohne Sonderbetreuungszeit, nach so vielen belastenden Arbeitsmonaten? Ganz abgesehen davon: Wo bleibt die versprochene Sonderprämie? Beim Applaudieren war man schnell, beim Bezahlen legt man lieber die Ohren an.

Untersuchungen zeigen, dass die Corona-Krise Frauen hart getroffen hat. Der Rückzug ins Private ging vielfach auf Kosten der Frauen. Es wäre Aufgabe der Sozialpartner, daran zu arbeiten, Frauen zu unterstützen, ihre Arbeits- und Lebenschancen wieder zu erhöhen. Stattdessen verstärkt Mahrer den Druck auf Frauen. Man merkt die Absicht und ist verstimmt. (Petra Stuiber, 20.11.2020)