Amazon stellt in Österreich in Eigenregie zu und luchst der Post Pakete ab.

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Wien – Die Covid-19-Pandemie hat das Paketgeschäft der gelben Post befeuert. Ohne es wäre der Corona-bedingte Rückgang im wichtigen Briefgeschäft nicht zu kompensieren gewesen. Nun hofft man auf einen Schub für die Eigenbau-Shopping-Plattform Shöpping.at und vor allem auf Kunden aus der Bank 99.

STANDARD: Es gibt in Wien kein einziges Postamt, das sonntags geöffnet hat. Ist das einer Weltstadt würdig?

Georg Pölzl: Corona-bedingt ist die Frequenz im Postamt am Fleischmarkt extrem zurückgegangen, deshalb ist es derzeit sonntags geschlossen. Aber nach dem Lockdown wird es wieder offen haben. Außerdem gibt es extrem viele Services in Selbstbedienung, vor allem mit den Postboxen für Pakete.

STANDARD: Und wer von den treuen Postkunden den Poststempel braucht, hat Pech gehabt?

Pölzl: Nein. Beim Frankierautomaten bekommt der Kunde eine Quittung, deren Datum gilt als Poststempel. Der Großteil dieser Kunden, etwa Rechtsanwälte, verschickt zeitkritische Sendungen elektronisch. Das ist so.

STANDARD: So gesehen ist die Digitalisierung das Unglück der Post, oder?

Pölzl: Ja, das ist der Grund für den Rückgang im Briefsegment. Aber es hilft nicht, darüber zu jammern, denn die Digitalisierung hat auch Positives, nämlich das Wachstum im E-Commerce. Gerade jetzt in Corona-Zeiten. Stellen Sie sich vor: ein Lockdown ohne Digitalisierung. Wie würde das funktionieren?

STANDARD: Der Paketbereich wächst, ist aber nur halb so groß wie der Briefbereich und hat deutlich schlechtere Margen. Wie viele Pakete müsste die Post befördern, um beim Umsatz auf Briefniveau zu kommen?

Pölzl: Die Paketsparte wird 2025 auf das gleiche Niveau kommen wie der Brief, allerdings inklusive Auslandsgeschäft. Das hat mit 300 Millionen inzwischen eine signifikante Größe, insbesondere Aras Kargo in der Türkei hat Wachstumsraten wie in Österreich.

STANDARD: Bei 60 Millionen Einwohnern ist Aras aber ein Zwergerl ...

Pölzl: Aras Kargo ist die Nummer zwei in der Türkei und liefert mit knapp 300 Millionen Euro fast die Hälfte unseres Umsatzes im Paketgeschäft in Österreich. Das Wachstumspotenzial ist natürlich größer als jenes in Österreich.

Im Vergleich zum US-Riesen Amazon ist Shöpping.at der gelben Post sehr klein, sagt Post-Chef Georg Pölzl, aber regional doch ein Riese.
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STANDARD: Der Wettbewerb in der Paketzustellung ist brutal, die Margen erodieren. Sind da Marktanteilsgewinne überhaupt noch möglich?

Pölzl: Noch wächst der Markt, seit Corona besonders. Gerade im Weihnachtsgeschäft, das merken wir, kommen manche Mitbewerber bereits an ihre Grenzen. Wir haben nie Volumensbegrenzungen gemacht, aber es kann sein, dass wir in den Wochen vor Weihnachten über die mit großen Versendern vereinbarten Mengen hinaus keine Garantien geben können. Amazon ist unser größter Kunde, aber wir verlieren Marktanteile an die Amazon-Eigenzustellung.

STANDARD: Bei DHL-Paketen läuft offenbar nicht alles rund, es landen noch immer Pakete in Stiegenhäusern. Sind das Pakete zweiter Klasse?

Pölzl: Nein. Pakete im Stiegenhaus, das darf nicht sein, ist nicht erlaubt.

STANDARD: Sie haben große Ziele für Ihre Bank 99. Wirklich billig ist Ihre Postbank nicht, aber dafür ist das Geschäft umso riskanter, Österreich ist overbankt ...

Pölzl: Wir haben nicht den Anspruch, eine Billigbank zu sein, sondern die transparenteste bei den Konditionen. Außer im Namen haben wir keine Zehntel-Cent-Preise. Wir wollen faire Konditionen. Natürlich sehe ich ein Risiko. Aber die Kunden wollen, dass wir ein Bankservice haben, das ist seit 140 Jahren so. Wir sind überzeugt, dass wir dieses Geschäft profitabel führen können.

STANDARD: Konnten Sie das Commerzialbank-Debakel im Burgenland bei der Kundengewinnung nutzen?

Pölzl: Ja, davon haben alle Banken profitiert.

STANDARD: Sind Sie zufrieden mit der Neukunden-Akquise?

Pölzl: Nein, zufrieden ist man nie. Es könnte immer mehr sein.

STANDARD: Die Latte liegt hoch. In den nächsten Jahren schreibt Ihre Postbank Verluste. Wann soll die Bank 99 auf gleicher Höhe sein mit den Provisionen der Bawag P.S.K., die in guten Jahren das Ergebnis der Post jährlich um hundert Millionen Euro aufgefettet haben?

Pölzl: Neue Aktivitäten sind wichtig. Wir haben auch strategische Vorteile daraus: das Vertrauen in die Marke Post und ein flächendeckendes Filialnetz, das nicht kleiner wird, während sich die anderen Geldinstitute zurückziehen. Gemäß Postgesetz müssen wir 1650 Filialen betreiben, die haben wir sowieso, und sogar mehr, nämlich 1750. Und drittens investieren wir aus der Substanz der Post in die Bank 99, und das ist ein gutes Investment.

STANDARD: Stichwort Verlustbringer und E-Commerce: Wie lang füttern Sie die Einkaufsplattform Shöpping noch durch?

Pölzl: Noch lang! Wir haben 2017 erst richtig begonnen, und es funktioniert. Das wird ein Erfolg.

STANDARD: Die Ware ist meist teurer als anderswo, und viele Produkte gibt es– anders als bei Amazon – gar nicht.

Pölzl: Das stimmt ja nicht! Die Hälfte des Traffics kommt von Preisvergleichsplattformen. Shöpping ist satisfaktionsfähig. Sonst wären wir in Österreich nicht die Nummer zwei hinter Amazon.

Georg Pölzl (63) ist seit 2009 CEO der Österreichischen Post AG. Davor war der studierte Montanist Geschäftsführer beim Magenta-Vorläufer Maxmobil und im Board der Deutschen Telekom.

(Luise Ungerboeck, 21.11.2020)