Amoako Boafo steht gerade erst am Beginn seiner Karriere, seine Arbeiten erzielen bei Auktionen aber teilweise absurde Preise.

Foto: Francis Kokoroko, Courtesy of the Artist and Roberts Projects

Es ist eine Geschichte, für die sich irgendwann einmal jemand die Filmrechte sichern wird. Aber noch nicht jetzt, das letzte Kapitel liegt in ferner Zukunft. Denn der Protagonist dieses Biopics, Amoako Boafo, steht gerade erst am Beginn seiner Karriere. Oder sollte es tun. Für den ghanaischen Maler, der an der Akademie der bildenden Künste bis 2019 ohne abzuschließen studierte und einige Jahre Wien seinen Lebensmittelpunkt nannte, überschlugen sich zuletzt die Ereignisse. Oder wie man in diesem Fall besser mit einem neo-amerikanischen Bonmot sagt: Shit escalated quickly.

Vor zwei Jahren wusste kaum jemand, wer Boafo ist. Heute befindet sich eines seiner Porträts im Besitz des New Yorker Guggenheim-Museums. Im Februar dieses Jahres ging sein Gemälde The Lemon Bathing Suit bei einer Auktion des Auktionshauses Phillips um 813.000 Euro über den Ladentisch. Der Witz daran? Den Kauf gab Boafo offenbar selbst in Auftrag – aber dazu später.

Bevor Boafo, geboren 1984 in Accra als Sohn eines Fischers und einer Köchin, in den Bannkreis dubioser Kunstmarktpraxen gezogen wurde – oder sich sehenden Auges genau dort hineinbegab –, finanzierte er sich sein Studium am Ghanatta College of Art and Design unter anderem als Sargträger, wie man im Wall Street Journal liest. Mit Boafo, der gerade in Ghana weilt, persönlich zu sprechen, ist nicht möglich. Seine Chicagoer Galerie, Mariane Ibrahim, blockte ein Interview ab.

Überlebensgroße Blackness

2014 nahm Boafo in Wien ein Studium an der Akademie für bildende Künste bei Kirsi Mikkola und Ashley Hans Scheirl auf. Die neue Stadt hinterließ ihre Spuren, ganz besonders Egon Schiele, dessen Einfluss in Boafos Porträts offensichtlich ist. Nur dass es bei Boafo ausschließlich Schwarze sind, die dem Betrachter oft in Überlebensgröße und ornamentaler Flächigkeit die Stirn bieten. Boafo schuf sich mit seinen Bildern im weißen Wien quasi seine eigene Community. In seinen Arbeiten spielen Repräsentation von Blackness und Stolz genauso wie Verletzlichkeit die Hauptrolle.

Ein typischer Boafo: "Red Ruby" aus der Sammlung der Rubells.
Foto: Rubell Museum

Einer von Boafos frühesten Unterstützern war Kehinde Wiley, der als Maler des offiziellen Porträts von Barack Obama jüngere Kunstgeschichte schrieb und an der Speerspitze einer frischen figurativen Malerei mit Schwarzen im Zentrum steht. Wiley entdeckte Boafo auf Instagram, kaufte selbst etwas an und empfahl seinen diversen Galeristen Selbiges zu tun. Roberts Projects in L.A., die neben Ibrahim die zweite Galerie ist, die Boafo heute vertritt, schlugen zu.

Obama-Porträtist Kehinde Wiley förderte Boafo früh.
Foto: Kehinde Wiley, National Portrait Gallery, Smithsonian Institution,

Auf Vermittlung des Wiener Künstlermanagers Amir Shariat trat Boafo eine Artist Residency bei Mera und Don Rubell an, sogenannte "Megacollectors", die ein Privatmuseum in Miami besitzen, über 7000 Werke zeitgenössischer Kunst ihr Eigen nennen und Künstler wie Sterling Ruby oder Oscar Murillo zu großen Namen machten. Der Hype um Boafo ließ nicht lange auf sich warten. Nicht nur die Eröffnung bei den Rubells im Dezember 2019 war ein riesiger Erfolg, auch die Arbeiten am Messestand von Boafos Chicagoer Galeristin Mariane Ibrahim bei der Art Basel Miami Beach gingen weg wie die warmen Semmeln.

Aber warum eigentlich? "In den letzten Jahren ist auf dem Kunstmarkt, aber durchaus auch auf einigen großen Kunstausstellungen ein verstärktes Interesse an afrikanischer und afroamerikanischer Kunst feststellbar. Einerseits war diese lange unterrepräsentiert, anderseits ist in Zeiten der ‚Diversity‘ und dem Hinterfragen des tradierten Kunstkanons das Bedürfnis groß, diese Kunst zu würdigen. Figurative Malerei von schwarzen Künstlerinnen und Künstlern scheint sich gerade besonders gut zu verkaufen", analysiert Günther Oberhollenzer, Kurator der Landesgalerie Niederösterreich und Jurymitglied beim Strabag Art Award, den Boafo 2019 erhielt.

"Soleita"
Foto: Courtesy of the Artist and Roberts Projects

Gerade erst rief das Kunstmagazin Monopol die Emanzipationsbewegung unter dem Stichwort "Black Lives Matter" zum einflussreichsten Akteur im Kunstbetrieb 2020 aus.

Die Flipper kommen

Doch hat das aktuelle Interesse, besonders in den USA, für die Kunst afroamerikanischer und afrikanischer Künstler auch eine besorgniserregende Seite: Artflipper, also Menschen, die Kunst meistens um läppische Preise direkt aus den Ateliers vielversprechender Künstler kaufen, um sie möglichst schnell mit maximalem Profit bei Auktionen zu verheizen, rochen den Braten. Die Spekulation, die mit den Werken schwarzer Künstler gerade getrieben wird, veranlasste zum Beispiel Christie’s bei seiner Online-Verkaufsausstellung "Say It Loud (I’m Black and Proud)", den Käufern Verträge vorzulegen, mit denen Artflipping verhindert werden soll. Käufer mussten zustimmen, dass sie die erworbenen Werke für die nächsten fünf Jahre nicht bei Auktionen veräußern. Mit dieser Praxis sah sich auch Boafo konfrontiert, oder befeuerte sie. In einem Interview gegenüber Artnet gab er zu, zwei Käufer damit beauftragt zu haben, bei der eingangs erwähnten Phillips-Auktion sein Gemälde The Lemon Bathing Suit für ihn mit ihrem Geld zu ersteigern. Er selbst konnte sich sein eigenes Bild nicht mehr leisten.

Boafo rechtfertigte den Schachzug damit, das Bild, das auf maximal 60.000 Euro geschätzt worden war, vom Markt weg und wieder in seinen Besitz bringen zu wollen. Kurios dabei: Im Gegenzug bat er den Käufern an, ihnen Bilder im Wert von zirka 400.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Er muss also davon ausgegangen sein, dass dieser völlig astronomische Wert auch erreicht werden kann. Wie bereits erwähnt, boten seine Käufer bis 813.000 Euro weiter.

Platzende Blasen

Seit der Auktion im Februar landeten 28 Werke Boafos auf Auktionen, die Verkaufspreise von ca. 30.000 bis – ein Ausnahmefall – 400.000 Euro erzielten. Es mag sein, dass es sich dabei um Werke handelt, die Boafo herstellte, bevor er bei seinen beiden Galerien Verträge unterschrieb, und die nun von ihren damaligen Käufern veräußert werden.

Ein Verdacht, der auch von Nate Freemans Recherche für Artnet gestützt wird, legt aber nahe, dass Boafo auch dann, als er bereits von seinen beiden Galerien vertreten wurde, private Deals eingegangen ist und dabei in Kauf nahm, dass Flipper den Sekundärmarkt mit seinen Arbeiten fluten könnten.

"Hudson in a baby blue suit" von Amaoko Boafo.
Foto: Rubell Museum

Kurzfristig gesehen ergibt das vielleicht Sinn, weil seine Galerien ihre moderateren Preise dann den hohen, bei den Auktionen erzielten anpassen können. Doch ist es ein gefährliches Spiel. Sind solche Preise erst einmal erreicht, ist es schwer, auf Dauer Käufer und verlässliche Sammler zu finden. Nicht einmal Museen können sich das teilweise noch leisten. Kauft niemand, stagnieren die Preise oder fallen: Der Hype ist vorbei, die Blase platzt.

Ob es Amoako Boafo so ergehen wird, erfahren wir dann vermutlich im Biopic. (Amira Ben Saoud, 22.11.2020)