Es ist einer der größten Autohersteller der Welt, bei dem das erste rein batterieelektrisch angetriebene Auto gerade erst vom Band läuft – der Lexus UX 300e –, während Experten in Europa vollmundig erklären, dass das Rennen um den Antrieb der Zukunft bereits entschieden sei und das E-Auto gewonnen habe.

Das erste E-Auto von Toyota, der Lexus UX 300e, wird 2021 in Österreich erhältlich sein.
Foto: Lexus

Bei Toyota – wozu auch Lexus gehört – sieht man die Sache anders. Die Japaner halten Wasserstoff für die Lösung schlechthin, wenn es um die Dekarbonisierung geht. Und Wasserstoff hat bei Toyota Geschichte, denn ein Brennstoffzellenauto, den Toyota Mirai, gibt es bereits seit 2014 am Markt. Demnächst startet die zweite Generation.

Die Automobilgeschichte Toyotas beginnt 1929, als Sakichi Toyoda seinen Sohn Kiichiro nach Großbritannien schickt, um dort seine Patente an einer automatisierten Webmaschine – Textilien, nicht Internet – zu verkaufen, um mit dem Geld eine Autoproduktion hochfahren zu können. 1935 war der erste Prototyp des Toyoda A1 fertig, und der Aufstieg zum größten Autobauer der Welt folgte.

Weltkonzern

Heute hat Toyota mehr als 500 Tochterunternehmen, 350.000 Mitarbeiter in mehr als 25 Ländern – aber kein E-Auto auf dem Markt.

Die zweite Generation des Wasserstoff-Autos Mirai folgte ebenfalls in Kürze.
Foto: Toyota

"Wir brauchen batterieelektrische und Wasserstofffahrzeuge", ist Gerald Killmann überzeugt. Der gebürtige Grazer lebt in Brüssel und arbeitet dort als Vizepräsident Forschung und Entwicklung bei Toyota Motor Europe. "Der batterieelektrische Antrieb ist ideal für kleinere Fahrzeuge. Größere Fahrzeuge, solche, die längere Strecken fahren oder 24 Stunden in Betrieb sind – ich denke da an Taxis, die Autos von Vertretern –, kurzum alle, die vorher mit Diesel fuhren, werden künftig mit Wasserstoff fahren – für die typischen Benzinerfahrer wird das Elektroauto die Lösung sein."

Bei dieser Überlegung geht es vor allem um die beiden Stärken, die der Antrieb mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle bietet, nämlich kurze Tankaufenthalte und große Reichweiten. "Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem Mirai als Taxi in Paris", erzählt Gerald Killmann. "Die können diese Fahrzeuge rund um die Uhr permanent einsetzen."

Pro und Kontra

Aber es gibt auch Fakten, die gegen den Wasserstoff sprechen. Da wäre etwa der schlechte Wirkungsgrad von rund 70 Prozent, wenn man ihn nicht mehr wie jetzt aus Erdgas gewinnt, sondern via Elektrolyse mit Strom aus regenerativen Quellen herstellt, wie Killmann angibt. Oder, dass die Schnellladetechnologie rasant aufholt – heute kann man, grob gesagt, 100 Kilometer Reichweite in rund zehn Minuten laden.

Auf einem 175 Hektar großen Gelände plant Toyota, 2021 eine Stadt der Zukunft zu bauen. Primärer Energieträger ist Wasserstoff – nicht nur für den Verkehr.
Foto: Toyota

"Wenn Sie die Ladeleistung bei einem E-Auto so dramatisch hinaufsetzen", gibt Gerald Killmann zu bedenken, "dann sinkt der Wirkungsgrad auf eben das Niveau von Wasserstoff." Zudem schaden viele Schnellladungen der Batterie. "Einmal in den Urlaub fahren und schnellladen ist okay, aber regelmäßig schnellladen ist nicht gut." Doch das ist nicht der eigentliche Grund, warum Toyota – wo man ja schon mit der Hybrid-Entwicklung ganz eigene Wege gegangen ist – so vehement auf Wasserstoff setzt.

"Wir müssen dekarbonisieren, und dafür muss man erneuerbare Energien einsetzen. Diese sind aber leider vor allem im Sommer verfügbar, weil da die Sonne öfter und stärker scheint. Der Wind ist zwar das ganze Jahr verfügbar, aber mit Windkraft kann man den Bedarf nicht ausreichend abdecken. Auch die Wasserkraft ist im Sommer meist besser verfügbar. Wir brauchen folglich einen Speicher, mit dem wir die Energie, die wir im Sommer regenerativ erzeugen, im Winter nutzen können. Und das ist Wasserstoff."

Wasserstoff-Modellstadt

Elektrolyse funktioniere bereits im Megawattbereich, der Gigawattbereich sei in greifbarer Nähe, erklärt Killmann, und es gäbe Experten, die davon ausgehen, dass sich Wasserstoff einfacher transportieren lasse als Strom – etwa weil man das Erdgasnetz nutzen kann.

Vor diesem Hintergrund – vor allem wenn man weiß, dass die Zusammenarbeit von Autoherstellern, Industrie und Politik im Bereich Wasserstoff in Japan besser funktioniert als bei uns – ist auch schnell verständlich, dass man das Thema bei Toyota noch einige Dimensionen größer denkt.

In der Woven City sollen zu Beginn erst einmal 200 Person leben.
Foto: Toyota

Am Fuße des Fuji plant Toyota, auf einem 175 Hektar großen Gelände mit der Woven City eine Wasserstoff-Modellstadt zu errichten, wenn man es vereinfacht ausdrücken will. Der Spatenstich ist für 2021 geplant, entworfen hat sie der dänische Architekt Bjarke Ingels.

"Eine komplette Stadt zu bauen, selbst in einem kleinen Maßstab, ist eine einzigartige Gelegenheit, Zukunftstechnologien zu entwickeln, einschließlich eines digitalen Betriebssystems für die Infrastruktur der Stadt. Mit Menschen, Gebäuden und Fahrzeugen, die alle miteinander verbunden sind und über Daten und Sensoren kommunizieren, werden wir in der Lage sein, die vernetzte KI-Technologie zu testen – sowohl im virtuellen als auch im physischen Bereich", erklärte Akio Toyoda, Präsident der Toyota Motor Corporation, bei der Vorstellung der Woven City.

Verkehrskonzept

Dort werden zu Beginn 200 Menschen leben, Forscher und ihre Familien, Pensionisten und Industriepartner. Es wird Abschnitte für schnelle Fahrzeuge geben, solche "für einen Mix aus niedrigerer Geschwindigkeit, persönlicher Mobilität und Fußgängern" und parkähnliche Areale, die Fußgängern vorbehalten sind. "Diese drei Straßentypen verweben sich zu einem organischen Gittermuster", erklärt Toyota.

Und es werden wohl auch bald autonom fahrende Fahrzeuge zum Stadtbild gehören. Toyota hat einen multimodalen Kasten auf Rädern entworfen, der sowohl als Bus als auch als Geschäft, Lokal oder mobiles Büro dienen kann.

Toyota denkt kastenförmige Autos an, die zum Stadtbild gehören werden, die sowohl als mobiles Büro, als Geschäftslokal oder Transporter verwendet werden können.
Foto: Toyota

Die Gebäude bestehen vorwiegend aus Holz – und auch viel Glas, wie man auf den Entwürfen erkennen kann –, haben auf den Dächern "Photovoltaikanlagen, um Solarstrom zusätzlich zur Stromerzeugung durch Wasserstoff-Brennstoffzellen zu nutzen", wenn der Strom nicht direkt verbraucht wird.

Sorgen um die Sicherheit macht man sich bei Toyota nicht, wie Killmann sagt: "Wasserstoff ist ein Medium, das man gut kontrollieren muss, und das können wir. Ein Wasserstoffauto ist sicherer als ein konventionelles. Wir haben interne Crash-Videos, die zeigen: Im extremen Fall ist das Letzte, was intakt bleibt, der Wasserstofftank." (Guido Gluschitsch, 1.12.2020)