Gesundheitsminister Rudolf Anschober.

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Das Wertvolle an Verordnungen des Gesundheitsministers besteht und erschöpft sich darin, dass sie jedes Mal bei ihrem Erscheinen Anlass zu spitzfindigen und daher den Geist der Landesbewohner beiderlei Geschlechts schärfenden Erörterungen über die tiefere Bedeutung einzelner Worte und Formulierungen geboten erscheinen lassen. Das gilt natürlich nur für den pflichtbewussten Staatsbürger, der bereit ist, sich auf die Auslassungen der Behörde einzulassen. Verantwortungslose Naturen werden die Oma im Altersheim besuchen, ohne vorher eine staatliche Erlaubnis einzuholen, da kann man eben nichts machen.

Beim zweiten Lockdown galt es, neben vielen Details, etwa, ob Biobauern ab Hof verkaufen dürfen, vor allem zu klären: Wie viele sind Einzelne? Eine Aufgabe, der sich unter anderen der "Kurier" mit besonderer Hingabe unterwand, denn der Begriff "Einzelne" ist heftig umstritten, und dieser psychosomatischen Qual wollte das Blatt seine Leserinnen und Leser nicht aussetzen. Breite Volkszweifel am Begriff "Einzelne" hätte man bis zu Anschobers vorläufig letztem Streich nicht erwartet, aber der Mann ist von Verordnung zu Verordnung jedes Mal für neue Überraschungen gut. Daher ist sprachliche Wachsamkeit geboten.

"Nicht viele"

Gemeint seien "nicht viele", sagt Verfassungsexperte Funk, der zwar sicher weiß, was in der Verfassung steht, aber nicht unbedingt genau, was der Erlasser der Verordnung im tiefsten Herzen gemeint haben könnte. Der Duden definiert es als "wenige Personen", das Sozialministerium als virenmäßig zuständige Instanz als "Einzelperson", und das deshalb, weil alles andere unweigerlich zur Erlaubnis von Familienfeiern führen würde. Und diese seien aufgrund der aktuellen Lage tunlichst zu unterlassen.

Das löbliche Ministerium verlässt damit den grammatischen Raum und begibt sich gewissermaßen ins familiäre Wohnzimmer, ohne allerdings zu begründen, warum allein die Definition "Einzelne" als Einzelperson zur Erlaubnis von Familienfeiern führen würde, und das unweigerlich, als ob man als "Einzelner" mit behördlicher Erlaubnis gezwungen wäre, ein Treffen mit der Familie gleich in eine Feier ausarten zu lassen.

Familienfeiern

Auf der Basis des Duden, auf den sich auch das Ministerium stützt und der "Einzelne" als "wenige Personen" definiert, gelangt Verfassungsexperte Funk zu der Auslegung: Eine mehrköpfige Familie könnte eine andere besuchen, sofern diese zu den "wichtigen Bezugspersonen" gehören. Nun käme es darauf an, ob die Bezugspersonen nicht nur wichtig, sondern auch einzeln sind, ist es doch theoretisch möglich, dass man als Mitglied einer Familie auch als Einzelperson auftreten kann, mag das bei Familienfeiern vielleicht auch nicht so gern gesehen werden.

Mit seiner Auslegung, eine mehrköpfige Familie könnte eine andere besuchen, weckt Verfassungsexperte Funk die das Ministerium perhorreszierende Vorstellung nicht nur einer einfachen, sondern einer verdoppelten Familienfeier, bei der das Virus jede Rücksicht auf den Unterschied zwischen Einzelperson und Bezugsperson fallenlässt. Die nächste Verordnung aus dem Hause Anschober kommt bestimmt, vielleicht ließe es sich dann einrichten, dass man unter Berücksichtigung des Wörterbuches der Gebrüder Grimm gleich eindeutig und klar den Typus der Einzelbezugsperson definiert.

Was ist mit dem Adventkranz?

Sprachlich weniger schwierigen, aber lebenswichtigeren Fragen ist man im "Kurier" schon ein paar Tage vorher nachgegangen, etwa der: Was ist mit dem Adventkranz? Oder der: Was genau ist mit "Lebenspartner" gemeint? Heißt das, ich darf mein Gspusi nicht mehr sehen? Das Ministerium jedenfalls versteht unter Lebenspartner eine Beziehung, was im Blatt zu der Befürchtung führt, zwischen Beziehungen und Affären werde "in der Folge aber schwer zu unterscheiden sein".

Da ist es tröstlich – aus Fellners "Seitenblicke"-Magazin – zu erfahren, dass andere es mit ihren Beziehungen auch nicht leicht haben. Wahl verloren, Ehefrau weg? Donald Trump hat’s nicht leicht. "Melania zählt die Minuten bis zur Scheidung!" Jetzt hat sie endgültig genug – genug von ihren Pflichten, genug von der Fassade, genug von ihrem Ehemann. Wird jedenfalls behauptet. Auf den geleakten "Melania-Tapes" wütete die 50-Jährige gegen ihr Bild in der Öffentlichkeit und ihre Pflichten (wie die Weihnachtsdeko im Weißen Haus). Verständlich, dass sie genug hat von der Frage: Was ist mit dem Adventkranz? (Günter Traxler, 22.11.2020)