Der Lockdown hat die Lehre nach Hause gebracht.

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Die Schulen und Unis sind weitgehend zu, Schüler und Studierende sitzen zu Hause, die Lehre läuft vorwiegend digital ab. Der zweite Lockdown hat erneut die Bildungsinstitutionen erreicht, und auch bei den Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, gibt es vielerorts ein Déjà-vu.

Technische Probleme

Mit dem erneuten Lockdown sind Schulen und Unis mit technischen Problemen konfrontiert. Die App Schoolfox etwa brach wegen des Andrangs zusammen; die Open-Source-Plattform Eduvidual kämpft seit Beginn der Krise mit Pannen. Nun kam es immer wieder zu Totalausfällen, berichten betroffene Schüler dem STANDARD.

Die Server, über die die Plattform verwaltet wird, sind im Bildungsministerium. Die Grundrechts-NGO Epicenter Works kritisiert, dass dort zu wenig Geld investiert wird, obwohl eine Aufstockung dringend notwendig wäre: 50.000 Euro bräuchte es, um die Serverkapazitäten auf den Stand zu bringen, der für einen reibungslosen Betrieb erforderlich wäre. Zusätzlich benötige es Geld, "um das Tool nicht nur am Leben zu erhalten, sondern weiterzuentwickeln", findet Iwona Laub von der NGO. Bei den Zahlungen, die das Ministerium an Microsoft tätige, sei es wichtig, auch "Geld für unabhängige Lösungen locker zu machen".

An den Unis war E-Learning vor allem in großen Studienrichtungen vor Corona Usus, doch die meisten Hochschulen waren nicht ausgelegt, alles digital zu machen. Studierende berichten immer wieder von Serverüberlastungen, wenn viele Teilnehmer im Online-Kurs sind, sagt Sabine Hanger, Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH).

Die Unis reagierten aber rasch und seien im Herbst besser vorbereitet gewesen als im Frühjahr. Auch am Publizistik-Institut habe man nachgerüstet, technische Probleme gebe es selten, sagt die stellvertretende Studienprogrammleiterin Petra Herczeg.

Mangelnder Datenschutz

Microsofts Büropaket und andere US-Dienste, wie Zoom, werden vermehrt infrage gestellt. Eine zentrale Kritik, die mit dem schnellen Umstieg ins Digitale in den Hintergrund gerückt ist, dreht sich um den Datenschutz: US-Firmen sind wegen der dortigen Überwachungsgesetze verpflichtet, Nutzerdaten zur Verfügung zu stellen, während die Datenschutzgrundverordnung einen sensiblen Umgang vorschreibt. Daher ist die Nutzung eigentlich ein rechtlicher Graubereich. Datenschützer empfehlen, bei öffentlichen Institutionen von Microsoft und Co abzusehen.

Fehlende Ausstattung

Nicht jeder Auszubildende hat einen eigenen Laptop. Vor allem in finanziell schlechter gestellten Familien teilen sich mehrere Personen ein Gerät. Eine nicht repräsentative Umfrage der Uni Wien, die unter anderem von der Bildungspsychologin Christiane Spiel erstellt wurde, ergab, dass circa 16 Prozent der Schüler keinen Laptop besitzen. Daher hat das Ministerium seit dem Frühjahr 11.000 Laptops vergeben, teilt es auf STANDARD-Anfrage mit. "Sollten Schülerinnen und Schüler dennoch kein geeignetes Gerät besitzen, können sie an ihrer Schule die Aufgaben erledigen."

Auf die Frage, warum es kein vergleichbares Angebot für Studierende gibt, sagt das Ministerium, diese seien in der Regel ausgestattet. Zudem böten Initiativen wie U:Book günstige Geräte. Auch laut der ÖH-Chefin sei das an Unis ein geringeres Problem. Der ÖH-Härtefonds könne bei Anschaffungen helfen, Computer-Lernplätze an Instituten und Bibliotheken seien – sofern sie offen sind- eine Alternative.

Keine einheitliche Software

Webuntis, Schoolfox, Moodle, Big Blue Button, Jitsi. Die Zahl der verwendeten Apps ist groß, schnell verliert man die Übersicht. Der Uni- Wien-Umfrage zufolge wünschen sich die Schüler, dass E-Learning einheitlich auf einer Plattform organisiert wird. An den Unis sei das schwierig, sagt Bildungspsychologin Spiel, "da die Fächer und deren Anforderungen sehr unterschiedlich sind". Die Lehrenden entscheiden selbst, wie sie die Kurse gestalten.

Doch auch Studierende wollen laut Hanger Einheitlichkeit: "Es ist lästig, wenn du fünf verschiedene Programme brauchst." Man sollte auf bereits geläufige Tools wie Moodle setzen und abseits der Lehrveranstaltungen Gratis-Streamingdienste für Lerngruppen anbieten.

Nicht alle kennen sich aus

E-Learning ist nicht nur die richtige Software, sondern auch der passende Umgang damit: Der habe sich seit dem Frühjahr professionalisiert, sagt Herczeg. An ihrem Institut hätten sich viele Kommunikationswissenschafter auch aus Interesse früh mit den Tools auseinandergesetzt. Für Hanger hängt die Qualität letztlich von der Bereitschaft der Lehrenden ab, es brauche mehr Schulungen. An vielen Unis gibt es "E-Multiplikatoren" oder Mitarbeiter, die mit der Technik helfen.

Auch in der Didaktik dürfte nachjustiert werden: Einige Unis haben Stellen für Mediendidaktiker ausgeschrieben. Bei der Wissensvermittlung wird von Schülern wie Studierenden oft der mangelnde Austausch kritisiert. Laut Herczeg helfen hier Chats, um live auf Fragen zu reagieren. Denn: "Ich kann nicht 90 Minuten einen Monolog halten, Lehre ist ein dialogischer Prozess." (Muzayen Al-Youssef, Selina Thaler, 23.11.2020)